"Jetzt auch noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk! Lieber Werner Kogler! Unterwerfung ist hässlich!“ Es war eine eher unzufriedene Botschaft, die Schriftsteller Robert Menasse (gezeichnet auch im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen Monika Helfer, Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier, Doron Rabinovici und Robert Schindel) vergangene Woche auf Facebook in Richtung der Grünen absetzte.

Die Ursache: Die drei von den Grünen nominierten ORF-Stiftungsräte hatten bei der Wahl des Generaldirektors ihre Stimmen dem von der ÖVP favorisierten Kandidaten Roland Weißmann gegeben; in den Augen mancher Linker eine Unterwerfungsgeste, fast schon ein „Verrat“ an grünen Werten. Und die SPÖ attestierte, „die Grünen machen wieder einmal den willigen Steigbügelhalter“.

Stabiler Partner

Aber auch wenn Teile der grünen Sphäre es jedes Mal, wenn sich die ÖVP in der Koalition durchsetzt, zum ultimativen Sündenfall hochstilisieren: Die Kleinpartei, die 2019 erst nach zwei Jahren Absenz wieder in den Nationalrat eingezogen ist, hat sich in den eineinhalb Jahren türkis-grüner Zusammenarbeit als stabiler Partner bewährt.

Ob bei spektakulären Abschiebungsfällen und anderen Migrationsfragen; bei der Nicht-Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses (in dem die beiden Grünen Abgeordneten alles andere als Rücksicht auf den Koalitionspartner nahmen), oder auch bei etlichen kleinen Fouls türkiser Partner: Die Grünen hielten die paktierte Linie und stimmten – nicht ohne lautstarkes Murren – etliche Male gegen die eigene Überzeugung, um den Koalitionsfrieden zu wahren.

Schnelle Rache

Das kam für manche Beobachter überraschend: Die Partei war in den vergangenen Jahrzehnten ihrer starken Basis wegen als unberechenbar und instabil verschrien. Aber formal die Koalition gebrochen hat erstmals eine Vorarlberger ÖVP-Bundesrätin: Sie stimmte entgegen der Koalitionslinie gegen die Evaluierung von Straßenbauprojekten auf Geheiß von Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Die Rache der Grünen kam schnell: Sie zwangen den Koalitionspartner, gemeinsam explizit eine Prüfung der – der Vorarlberger VP heiligen – Bodensee-Umfahrung S18 zu fordern. Ein für die ÖVP schmerzhaftes Symbol: Wenn wir für die Koalition manche Anliegen plakativ aufgeben, müsst ihr das auch.

Grüne: Koalition hält

Trotz solcher Spielchen gehen Spitzengrüne in Hintergrundgesprächen davon aus, dass die Koalition bis auf Weiteres halten wird. Und warum auch nicht: Die Partei selbst steht in Umfragen bei rund zwölf Prozent, liegt also nur knapp unter bzw. in der Schwankungsbreite von ihrem Ergebnis von 2019 (13,9 Prozent). Das Einvernehmen von Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler mit VP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz gilt als ausgezeichnet.

In der Sache hat man – trotz Krise – einiges erreicht: Vor Kurzem wurde das neue Ökostrom-Paket vollendet, Covid-19-Förderungen wurden an Öko-Kritierien geknüpft, Budgets für Radwege vervielfacht. Auch auf ihrem Parteitag im Juni standen die Grünen demonstrativ hinter der Koalition.

Grüne Projekte in der Warteschleife

Allerdings stehen auch Stolpersteine bevor: Einige der größten „grünen“ Projekte der Koalition hängen in der Warteschleife: Das Informationsfreiheitsgesetz liegt zur Überarbeitung im Kanzleramt, Verhandlungen über die ökosoziale Steuerreform samt CO2-Bepreisung – dem Plan nach die größte Reform dieser Regierung – gehen im Herbst in die heiße Phase. Sollte eines dieser Projekte scheitern, könnte es schnell ungemütlich werden.

Das gilt auch für den nicht auszuschließenden Fall, dass Kurz wegen einer Falschaussage im U-Ausschuss angeklagt werden sollte. Einen Kanzler auf der Anklagebank zu stützen, wäre wohl die ultimative Prüfung für die grüne Realpolitik.