Der Vergleich von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zwischen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und angeblichen Missständen in der Staatsanwaltschaft stößt weiter auf Kritik. "Das ist unverschämt", befand Verfassungsexperte Heinz Mayer am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz. Daneben sieht Mayer in der Aussage einen Wechsel in der Strategie. Als etwa der Beschuldigtenstatus von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bekannt wurde, habe dieser nichts daran angefochten, so Mayer. Kanzler Kurz und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hätten sich jedoch vor die Kameras gestellt und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) heftig kritisiert.

"Es dürfte der ÖVP dann gedämmert haben, dass ein Vollangriff auf eine Behörde nicht gut ankommt", vermutete Mayer weiter. Plötzlich habe sich die Kanzlerpartei - allen voran der Fraktionsführer im U-Ausschuss Andreas Hanger - auf einen einzelnen Staatsanwalt eingeschossen und betont, dass nie die WKStA als Behörde angegriffen wurde: "Das stimmt aber nicht", sagte Mayer. "Was der Kanzler nun gesagt hat", so Mayer weiter, "geht wieder einen Schritt zurück." Gegen einzelne Staatsanwälte hätte Kurz ja Rechtsmittel, wenn er Fehler vermuten würde. Wenn der Kanzler nun den Vergleich mit der katholischen Kirche ziehe, gehe es offenbar doch gegen die WKStA, so Mayer.

Kurz: "Keine Institution sollte sakrosant sein"

Bundeskanzler Kurz hatte kürzlich in einem Videointerview zwar gemeint, dass es möglich sein müsse, die Arbeit von Einzelpersonen kritisch hinterfragen zu dürfen", zog dann aber den Vergleich mit der Kirche: "Es gab eine Institution, die ist früher niemals hinterfragt worden - das ist die katholische Kirche", so der Kanzler weiter. "Als es Missbrauchsfälle gegeben hat, haben einige sogar versucht, das zu vertuschen - und das war am Anfang nicht gern gesehen, wenn es öffentlich Kritik an der Kirche gab. Ich glaube, dass das der Kirche nicht gut getan hat. Ich glaube, keine Institution sollte sakrosankt sein", betonte Kurz. "Und jeder sollte in Ruhe seiner Arbeit nachgehen können. Aber wenn sich jemand etwas zuschulden kommen lasst, dann ist es auch legitim, das anzusprechen." Er glaube, "dass wir schon im Bereich der WKStA hier einige auch Problemfelder gesehen haben in der letzten Zeit."

SPÖ fordert Entschuldigung

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim forderte am Dienstag per Aussendung von Kurz nicht nur eine Entschuldigung bei der Staatsanwaltschaft, sondern auch bei Missbrauchsopfern, denn immerhin setze er mit seinen Äußerungen sich selbst mit Opfern von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch gleich. "Dass Kurz die Ermittlungen gegen sich als unangenehm empfindet, mag sein. Sich damit aber mit Gewaltopfern zu vergleichen, ist völlig unangemessen."

Die Opposition akzeptiere die Justiz offenbar nur, wenn sie in ihrem Sinn agiere, glaubt dagegen ÖVP-Mandatar Andreas Hanger. "Wie man anhand des oppositionellen Gejaules leider einmal mehr sieht, ist die unabhängige Justiz für die Opposition nur ein parteipolitischer Kampfbegriff", befand der Abgeordnete. "Dass SPÖ und FPÖ aus ihrer Geschichte heraus mit Polit-Justiz liebäugeln, ist auch kein Geheimnis - die NEOS opfern den letzten Lacksplitter angeblicher Liberalität nun gerade auf dem Altar der Hetze gegen die Eckpfeiler unserer Republik", griff Hanger in die untere Schublade.