Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) tourt in diesen Tagen durch Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien, um die gemeinsame Bekämpfung von illegaler Migration zu besprechen. Mit im Gepäck hat er zusätzliche heimische Beamte für die Grenzsicherung, eine Drohne und andere Unterstützungen. Aktuell sind 36 Beamtinnen und Beamten an den Grenzen im Einsatz, 26 befinden sich in Einsätzen der Grenzschutzagentur „Frontex“. So könne man einen gemeinsamen „Rückführplan“ für jene ohne Chance auf Bleiberecht erarbeiten, erklärt Nehammer.

Vor fünf Jahren sah die Strategie Österreichs noch ganz anders aus. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) feierte damals die Schließung der Balkanroute als großen Erfolg. So sei es gelungen, den „Strom“ an Migranten einzudämmen, die damals nach Europa und vor allem Österreich gedrängt seien. Heute will man den Balkanländern unter die Arme greifen.

100.000 Menschen warten auf die Weitereise

Der Strategiewechsel hat freilich nicht nur altruistische Gründe. Im Innenministerium wird seit Langem unruhig auf die Länder im Osten geschaut, in denen sich dank Pandemie laut Schätzungen rund 15.000 Menschen illegal aufhalten – und auf die Weiterreise nach Schweden, Deutschland und eben auch Österreich warten. Inklusive Griechenland sind es 100.000. Gehen die Grenzbalken wieder auf, werden sich diese in Bewegung setzen, heißt es dort.

Ein Grund für diese Annahme sind die Asylantragszahlen aus dem Vorjahr. Obwohl europaweit ein deutlicher Rückgang verzeichnet wurde, gingen die Zahlen in Österreich – wenn auch nur leicht – nach oben. Was Innenminister Nehammer kurzzeitig in Erklärungsnot gebracht hatte. Migrationsexperten führen das auch darauf zurück, dass Österreich in Zeiten von strengen Grenzkontrollen in Deutschland und Schweden als Zielland deutlich attraktiver geworden ist. Vor allem, da es sich um das erste reiche Land auf ihrem Weg handle.

Hilfe vor Ort - auch für die Asylstatistik

Österreich geht es bei der Unterstützung der Balkanländer um mehrere Dinge. Einerseits will man die Unterbringungsbedingungen vor Ort verbessern, die zuletzt vor allem in Bosnien für lautstarke Kritik von Menschenrechtsorganisationen gesorgt hatten. Und man will jene, die Chancen auf Bleiberecht haben, frühzeitig zu einem qualitativ hochwertigem Asylverfahren verhelfen. Bevor die Betroffenen noch mehr Geld und Gefahr riskieren, indem sie sich an Schlepper wenden. Das beteuert man jedenfalls im Innenministerium. Dort wird aber auch nicht bestritten, dass jene, die keine Chance auf Asyl haben, bereits vor einer Weiterreise abgelehnt werden und damit keinen Antrag im Inland mehr stellen können. Und damit nicht in der heimischen Asylstatistik aufscheinen.

Freilich stehen die Balkanländer aber auch bei gewissenhaft durchgeführten Asylverfahren vor dem – in Österreich nur allzu bekanntem – Problem, die Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Dies scheiter aktuell vor allem an fehlenden Rücknahmeabkommen. Deshalb soll auch dort vermehrt auf Rückkehrberatung für ein freiwilliges Ausreisen gesetzt werden, indem man Betroffenen kleinere Geldbeträge und damit eine gesichtswahrende Rückkehr in das Herkunftsland in Aussicht stellt.

Internationale Koordination aus Wiener Büro

Dass Österreich auf bilaterale Zusammenarbeit setzt, ist nicht ganz neu. Schon 2015/2016 gab es solche Bemühungen von einigen Staaten, da man auf kurzem Wege schneller reagieren konnte, als es der Großapparat EU. Außen vor lassen will man diese aber nicht. Die Kommission sei ein wichtiger Partner und deshalb auch in die „Plattform gegen illegale Migration“ eingebunden. Dabei handelt es sich um ein kleines Wiener Büro, das als Koordinationsstelle für Staaten und EU-Agenturen im Jänner eingerichtet wurde. Man wolle so vom Reagieren ins Agieren kommen, wie es ein Beamter im Ministerium formuliert. Von früheren Schließungsplänen für die Balkanroute will er nichts mehr hören.