Türkis-Grün überlässt bei der Inszenierung nichts dem Zufall. Am Vormittag wurde der neue Gesundheitsminister in der Hofburg angelobt, am Nachmittag zog sich die Koalition zur zweitägigen Arbeitsklausur ins Bundeskanzleramt zurück. Coronabedingt musste diesmal auf das Begleitprogramm verzichtet werden.

Zum Auftakt des zweitägigen Treffens bedienten sich Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler ähnlicher Formulierungen. Man wolle den „Blick nach vorne richten“, erklärte der Kanzler. „Jetzt geht es darum, dass wir wieder nach vorne schauen“, sekundierte der Vizekanzler.

Was im Umkehrschluss bedeutet: Unter das dunkle Kapitel der jüngsten Vergangenheit soll ein- für allemal ein Schlussstrich gezogen werden. Corona hat nicht nur knapp 10.000 Todesopfer gefordert, sondern das Land in die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten gestürzt - mit einer Million Menschen in Kurzarbeit oder ohne Job. Während die erste Welle bald im Keim erstickt wurde, bekam die Regierung die zweite Welle nie in den Griff. Koalitionsintern überwogen die Spannungen, symptomatisch die Politik der Nadelstiche zwischen Kanzler und Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober.Und der Glanz des Türkisen ist verblasst.

So gesehen wollen ÖVP und Grüne neu durchstarten. Am Rande der Klausur wird einmal mehr versichert, dass ausgelöst durch die Impfungen, die immer mehr an Fahrt aufnehmen, das Ende des Corona-Horrors bald in Sichtweite sei. Mitte Mai oder zu Pfingsten sollen am selben Tag alle Bereiche, die derzeit geschlossen sind, also Gastronomie, Kultur, Sport, auch die Hotellerie unter scharfen Auflagen und in kleinem Rahmen öffnen dürfen - Masken-, Test-, Registrierungspflicht inkludiert. Am Freitag soll der Fahrplan von der Öffnungskommission, der auch die Sozialpartner und die Landeshauptleute angehören, fixiert werden – vorausgesetzt, Infektionsgeschehen wie auch die Lage in den Spitälern entspannen sich signifikant in den nächsten vier bis fünf Wochen.

Für Aufsehen sorgt ein Punkt: Bisher wurden Geimpfte gleich wie alle anderen Bürger behandelt. Nun ist angedacht, dass sich Geimpfte, bei denen der zweite Stich ein paar Wochen zurückliegt und die deshalb immunisiert sind, von der Testpflicht ausgenommen werden könnten. Mit den für Mai angedachten Öffnungsschritten werden auch die Reisebeschränkungen gelockert.

Wirtschaftlich steht die Klausur ganz im Zeichen des sogenannten „Comeback-Plans.“ So wurde verkündet, dass die Investitionsprämie von drei auf fünf Milliarden Euro ausgedehnt werden soll. Dadurch sollen Investitionen in Höhe von 55 Milliarden bewegt werden. Doppelt so hoch sind die Zuschüsse, wenn sie die Digitalisierung, Ökologisierung oder Gesundheit betreffen. Eine halbe Million Menschen sollen, so die Hoffnung, wieder Arbeit finden.

In der zweiten Jahreshälfte will man sich der ökosozialen Steuerreform mit Entlastungen der unteren und mittleren Einkommen sowie der Senkung der Lohnnebenkosten zuwenden. Obwohl das Budgetdefizit im heurigen Jahr auf 31 Milliarden Euro und die Schuldenquote auf 89 Prozent ansteigen dürfte, gibt man zuversichtlich, 2023 einen ausgeglichenen Haushalt erzielen zu können. Am Dienstag soll die Klausur mit einem Ministerrat beendet werden.