„Mit FABIAN machen wir die Familienbeihilfe so unkompliziert wie möglich", verkündeten Finanzminister Gernot Blümel und Familienministerin Susanne Raab (beide ÖVP) am 26. März dieses Jahres.

Gemeint ist die Neue Software für die Abwicklung der Familienbeihilfe in FinanzOnline. Alles sei neu und benutzerfreundlich gestaltet. Und Nachweise könnten gleich direkt in FinanzOnline hochgeladen werden.

Angeblich ist alles besser, schneller und unkomplizierter als früher. Ohnehin werde seit dem Jahr 2015 die Familienbeihilfe "automatisch und antraglos überwiesen".

Ein Fallbeispiel zeigt das Gegenteil, und es geht dabei um einen jungen Studierenden und seine Eltern.

Alles begann im Oktober 2020. Da stellte das Finanzamt nämlich die Zahlung der Familienbeihilfe an die Mutter ein. Warum, das lässt sich erahnen, vermutlich ging es um den Nachweis des Studienerfolges. Eine Nachfrage beim Finanzamt (eine nette, um Auskunft  bemühte Dame, dem Dialekt nach irgendwo in Oberösterreich beheimatet) ergab: "Sie haben kein diesbezügliches Schreiben erhalten, warum kann ich Ihnen auch nicht sagen."

Das Geld blieb aus

Aufgefallen ist das der Mutter im Februar dieses Jahres. Die Nachfrage ergab: Der Nachweis ist jedenfalls beizubringen. Kein Problem. Der Sohn liefert, die Mutter schickt. Und tatsächlich: Das Hochladen ist Online möglich. Allerdings nur um den Preis, dass ein langer, komplizierter, neuer Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ausgefüllt wird. Egal.

Ein halbes Jahr Familienbeihilfe ist ausständig, mehr als 1.000 Euro. Die Hoffnung lebt, dass die Nachzahlung jetzt "automatisch" und ohne weitere Bürokratie stattfindet.

Irrtum. Es kommt ein Schreiben, in dem folgende weitere Nachweise eingefordert werden:

  • Nachweis betreffend überwiegender Kostentragung für den Sohn (=Aufstellung des Sohnes über die durchschnittlichen monatlichen Aufwendungen für Miete, Betriebskosten, Essen, Kleidung, Ausbildung, usw. und deren Finanzierung - mit Unterschrift des Sohnes)
  • Zahlungsbelege über Unterhaltsleistungen der Mutter an den Sohn
  • Einkommensnachweis des Sohnes, wie Stipendium, Wohnbeihilfe, Lohn, usw.

Automatisch? Unbürokratisch? Rasch?

Jetzt wird es interessant, und ein langer, mühsamer Recherche-Weg durch die Institutionen beginnt:

Die Recherche beginnt

Telefonat mit Finanzamt - Verweis auf die Familienbeihilfe-Hotline.

Telefonat mit Familienbeihilfe-Hotline, diese will wissen: "Hat der Sohn eine eigene Wohnung?"

Antwort der Mutter: "Ja, hat er, aber deswegen gehört er doch immer noch zum Haushalt der Mutter, solange Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Und woher weiß die Finanz überhaupt von dieser Wohnung?"

Antwort der Hotline: Dank "Fabian". "Und jetzt schauen wir uns an, wer den Unterhalt bestreitet."

Frage der Mutter: "Aha. Warum?"

Antwort der Hotline: "Weil der Sohn sich die Familienbeihilfe selbst auszahlen lassen könnte, wenn er einen Job hat und überwiegend selbst seinen Unterhalt bestreitet."

Frage der Mutter: "Das muss doch extra beantragt werden, und das haben wir eben nicht beantragt."

Antwort der Hotline: "Schicken Sie einfach, wir prüfen dann."

Frage der Mutter: "Mit welchem Ergebnis, wenn Mutter und Sohn doch gar nicht wollen, dass das Geld dem Sohn überwiesen wird?"

Die Hotline ist entnervt

Die Hotline ist entnervt und legt auf.

Recherche bei der Pressestelle des Finanzministeriums: Warum wird hier doppelt gemoppelt, warum müssen Belege aller Art geschickt werden, obwohl keiner will, dass die Familienbeihilfe nicht der Mutter ausgezahlt wird?

Antwort: "Dafür ist das Familienministerium zuständig."

Frage: "Das Finanzamt prüft, das Finanzamt entscheidet. Was ist die Grundlage?"

Antwort: "Wenn das Kind nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit einem Elternteil lebt, muss gemäß § 2 FLAG geprüft werden, wer von den in Frage kommenden Personen (Mutter, Vater oder das Kind selbst) den bestehenden Anspruch geltend machen kann."

Das System siegt

Das System siegt, die Belege werden geschickt: Die Mutter zahlt 500 Euro, die monatlichen Kosten, die der Sohn zu bestreiten hat, liegen bei 750 Euro. Einfach hochladen geht übrigens nicht, denn der bestehende Antrag ist abgeschickt und scheint erst auf, wenn er erledigt ist. Man kann nichts ergänzen. Der einzige Weg: Einen gänzlich neuen Antrag einzubringen, Hochzeitsdatum, Beziehungsstatus, Studienkennzahl, Studiennachweis und viele weitere, längst übermittelte Unterlagen inklusive.

Ist dann wenigstens alles klar? Mitnichten. Denn der Sohn verdient 550 Euro monatlich in seinem Job. 50 Euro mehr als die Mutter zahlt. Und zwar nicht, um sich die Butter aufs Brot zu schmieren, sondern um zu sparen, sich einen Studienaufenthalt im Ausland zu finanzieren, oder einfach nur auf Urlaub zu fahren. Wird die Mutter dafür bestraft?

Ist die Folge, dass der Sohn die Familienbeihilfe selbst beantragen muss, weitere Monate ins Land ziehen, bis er dann endlich das Geld bekommt, um es schließlich doch wieder nur der Mutter zurück zu überweisen?

Die Zukunft liegt in den Sternen  - oder bei "Fabian". Weder die Hotline noch die Pressestelle des Finanzministeriums vermögen darauf eine Antwort zu geben. Denn, so die Pressestelle: Jetzt sei zu überprüfen, "wer die überwiegenden Kosten für den Sohn trägt.

  • Das könnte  die Mutter sein – aufgrund der überwiegenden Kostentragung,
  • das könnte der Vater sein – aufgrund der überwiegenden Kostentragung,
  • das könnte auch das Kind selbst sein (Eigenantrag auf Familienbeihilfe wäre möglich), wenn er selbst überwiegend seinen eigenen Lebensunterhalt aufgrund der bestehenden Teilzeitbeschäftigung finanziert.

Danke, das wissen alle Beteiligten bereits. Aber: Der Lebensunterhalt wird überwiegend von der Mutter bestritten, der Sohn verdient trotzdem mehr und Antrag darauf, die Beihilfe direkt zu kassieren, hat er keinen eingebracht. So what?

Die Mühlen mahlen

Keine Antwort. Die Mühlen der Finanzverwaltung mahlen. Und das Geld liegt, und arbeitet wahrscheinlich - nur halt nicht für die Familie, sondern für den Staat.

Wobei der Familie vorsichtshalber auch noch die Schuld in die Schuhe geschoben wird: "Ihr Sohn Florian ist bereits im Mai 2020 aus dem elterlichen Haushalt ausgezogen und in eine eigene Wohnung gezogen. Diesen Umstand haben Sie aber bis dato nicht dem Finanzamt gemeldet gehabt. Gemäß § 25 FLAG besteht die Verpflichtung, dies binnen einem Monat dem Finanzamt zu melden. Diese Verpflichtung haben Sie auch am Familienbeihilfenantragsformular unterfertigt."

Selber schuld...

Nicht gewusst, und auch für unerheblich gehalten, denn: Laut Auskunft der ÖH ist der Sohn auch dann noch dem elterlichen Haushalt zugehörig, wenn er eine eigene Wohnung hat. Jetzt weiß man es, amtlich bestätigt, besser.

Automatisch? Unbürokratisch? Rasch? Da ist viel Luft nach oben.

Die Autorin erinnert sich an ihre eigene Studienzeit: Die Familienbeihilfe wurde tatsächlich unbürokratisch ausbezahlt. Das Studium war gratis. Arbeiten konnte man als Studierende, musste aber nicht. Und wenn, dann war das Finanzamt nur an der Einhaltung der Höchstgrenzen interessiert. Und ob das Kind zu Hause wohnte oder im Studentenheim oder in der eigenen Wohnung, war der Behörde egal.

Warum kompliziert, wenn es auch einfach ginge?

Die Moral von der Geschicht':

  • Wenn das Kind nicht im Haushalt der Eltern lebt, ist das dem Finanzamt binnen einem Monat zu melden.
  • Wenn das Kind seine eigenen "Unterhaltskosten überwiegend trägt", verlieren die Eltern den Anspruch auf die Familienbeihilfe.
  • Ob der Umstand, dass das Kind mehr verdient als die Eltern ihm monatlich zahlen, schon heißt, dass es seine eigenen "Unterhaltskosten überwiegend trägt", auch dann, wenn das Geld nicht in Miete oder Essen investiert wird sondern in Urlaub oder sonstigen Aufwand fließt, bleibt bis auf weiteres ungeklärt.

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