Der Wiener FPÖ droht bei der Gemeinderatswahl am 11. Oktober ein steiler Absturz - auch parteiintern. Wenn es ganz schlecht läuft, ist sie künftig nicht mehr stärkste, sondern schwächste Landesgruppe. Denn in der blauen Grotte tummelt sich nicht nur die angestammte FPÖ ohne ihren alten Führer sondern nun auch der "Alte" samt neuer Partei.

Heinz-Christian Strache und sein Team HC haben am Samstagvormittag als erste stadt-weit antretende Liste den Wahlkampf für die Wien-Wahl eingeläutet. In einer mehr als einstündigen Rede arbeitete sich der Spitzenkandidat an der FPÖ, den Corona-Maßnahmen des Bundes, Rot-Grün in Wien und dem Thema Migration ab. "Ich bin das Original", versicherte er einmal mehr.

Hoffen auf Einzug

Der Ex-Chef der Freiheitlichen und frühere Vizekanzler zeigte sich im "Lotus Event Center" in der Donaustadt vor seinen Anhängern überzeugt davon, die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Landtag und Gemeinderat überspringen zu können und somit sein Polit-Comeback zu schaffen. Die FPÖ habe 2015 fast 31 Prozent erreicht - von den damaligen Unterstützern erhofft man sich nun viel Zuspruch: "Wir werden für diese Wähler da sein."

Strache nutzte die Bühne, um gegen seine ehemaligen Parteifreunde kräftig auszuteilen. Diese hätten sich nämlich der "links-linken" Kleinpartei Wandel "angeschlossen", als es darum gegangen sei, im Zuge der Hauptwohnsitz-Debatte seine Wiener Kandidatur zu verhindern: "Wer war denn sofort deren Partner? Der Herbert Kickl, der Norbert Hofer, der Dominik Nepp." Überhaupt bestehe das blaue Wahlprogramm nur mehr aus sechs Worten: "Gegen Strache. Gegen Strache. Gegen Strache." Auf dieses Niveau begebe man sich nicht.

"Keiner kennt Nepp"

Außerdem kenne den FPÖ-Spitzenkandidaten Nepp in Wien niemand - ebenso wie jenen der NEOS. ÖVP-Finanzminister und Landesparteichef Gernot Blümel wiederum habe schon angekündigt, im Bund zu bleiben. Und Michael Ludwig (SPÖ) sei ein "Schweige-Bürgermeister", der den Grünen alles durchgehen lasse. Was will Strache für Wien? Zum Beispiel 15.000 neue Gemeindewohnungen jährlich, 200 Euro extra für alle Mindestpensionisten pro Jahr und ein Gratis-Parkpickerl.

Beim insgesamt fast zweieinhalbstündigen Indoor-Event war von der Einhaltung des Ein-Meter-Abstands keine Rede. Auch Masken wurden von so gut wie keinem der teils laut jubelnden Fans getragen. Strache selbst meinte: "Wir brauchen keine Corona-Ampel. Wir brauchen eine auf Rot stehende Migrations-Ampel." "Wir sind keine Rassisten", betonte der Listen-Chef, warnte gleichzeitig vor einem "radikalen Islam" und forderte "Assimilation statt verfehlter Integration".

"Sind keine Corona-Leugner"

"Der Heilige Sebastian (Kurz, Anm.) versucht, den Messias zu geben. Wenn er sagt, er sieht Licht am Ende des Tunnels, muss man sagen, dass er uns überhaupt erst in den Tunnel hineingeführt hat", verwies Strache auf den Lockdown. Und er versicherte: "Wir sind keine Corona-Leugner. Selbstverständlich gibt es das Virus, genauso wie es die Grippe gibt. Aber man muss mit dem Virus leben lernen und Risikogruppen schützen, aber doch nicht unsere Gesellschaft zusperren."

Blaues Auge oder Absturz?

Die FPÖ holte sich 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingswelle in Wien mit 30,79 Prozent das beste blaue Landtagswahl-Ergebnis außerhalb Kärntens, noch eine Spur besser als zuvor das der Oberösterreicher (30,36 Prozent). Jetzt muss der neue Wien-Chef Dominik Nepp sogar fürchten, Letzter zu werden - nach dem Ibiza-Skandal, ohne große Flüchtlingswanderung in Corona-Zeiten und auch noch in Konkurrenz mit der neuen Partei seines Vorgängers Heinz-Christian Strache. Die rote Laterne tragen derzeit die Burgenländer, die im Jänner auf 9,79 Prozent abstürzten. Treffen die schlechteren Umfragen zu, könnten die Wiener noch weniger Zuspruch bekommen.

Davon stark profitieren wird, sagen die Meinungsforscher, die ÖVP. Finanzminister Gernot Blümel hat die Wiener Partei am absoluten Tiefpunkt übernommen. Die 9,24 Prozent im Jahr 2015 waren das schlechteste ÖVP-Ergebnis bei allen 140 Landtagswahlen bis dahin. Jetzt - im bundesweiten türkisen Hoch - können die Wiener auf gut über 20 Prozent hoffen.