Sogar im grünen Lager war die Überraschung groß, nachdem die einstige EU-Abgeordnete und Kurzzeit-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek den letzten freien Platz in der Regierung ergattert hatte. Als Favoriten hatten Anfang Jänner die Rektorin der Akademie der bildenden Künste Eva Blimlinger (Kulturstaatssekretärin) und Budgetspezialist Jochen Meichenitsch (Finanzstaatssekretär) die Runde gemacht. Warum sich Grünen-Chef Werner Kogler für Lunacek entschied? Die langjährige Vizepräsidentin des EU-Parlaments und in weiten EU-Kreisen hoch angesehene  Politikerin sollte dem angehenden Vizekanzler die internationalen Verpflichtungen abnehmen. Der fußballaffine Kogler schnappte sich die Sportagenden, Lunacek blieb die Kultur.

„Hätte Werner Blimlinger genommen, wäre es nicht passiert“, so ein hochrangiger Grünen-Politiker über den Aufstand der Kulturszene.Lunacek war eine Super-Europapolitikerin. Was ihr fehlt, ist der Stallgeruch der Kulturschaffenden. Sie kennt die Kultur nur als Konsumentin, das ist zu wenig.“

Deal mit Gastro und Sport, aber nicht mit Kultur

Was die Kulturszene auf die Palme gebracht hat, war der Eindruck, dass die Regierung mit dem Sport, der Gastronomie, dem Handel, sogar mit den Schwimmbädern Fahrpläne für die Wiedereröffnung vereinbart hat, die Kultur aber - mit Ausnahme der Museen - auf den Herbst vertröstet wurde. Warum etwa das 2000 Plätze umfassende Gasthaus  „Schweizerhaus“ am Freitag im Prater seine Pforten öffnen kann, wobei 600 Sessel wegen der Abstandsregel wegfallen, ein Kino, ein Theater, eine Open-Air-Bühne jedoch nicht, ist gesundheitspolitisch schwer zu argumentieren sein.

Quotenhit im ORF, allerdings nicht in der Kultur

Die 62-jährige Niederösterreicherin hatte sich als Abgeordnete (Nationalrat, dann Straßburg) einen Namen gemacht, Erfahrungen in einer Leitungsfunktion hatte sie keine gesammelt, ehe sie in die Regierung wechselte. Lunaceks jüngste Pressekonferenz zu den  Maßnahmen im Kulturbereich wurde im ORF ein Quotenhit, allerdings nicht in der Kulturberichterstattung, sondern in der Satiresendung „Willkommen Österreich“ mit der bissigen Parodie „Luna checkts nicht“.

"Halte mich nicht mit Gerüchten auf"

In den Abendstunden machten in Wien Rücktrittsgerüchte die Runde. Gegenüber der Kleinen Zeitung dementierte die angezählte Politikerin jegliche Spekulationen: „Ich halte mich nicht mit Gerüchten auf. Ich kämpfe mit aller Kraft weiter, den Kunst- und Kulturbereich gut über die Coronakrise zu bringen.“