Innenminister Wolfgang Peschorn hat verweigert, eine Ende August, noch vor der Neuwahl gestellte parlamentarische Anfrage zur "Soko Ibiza" zu beantworten. Peter Pilz, Langzeit-Abgeordneter, Gründer und zuletzt Spitzenkandidat der gescheiterten Partei Jetzt, hatte unter anderem wissen wollen, wie die Sondereinheit zu den Ermittlungen rund um das Ibiza-Video zusammengestellt wurde, inwieweit auf ein Naheverhältnis der Ermittler zu ÖVP und FPÖ Rücksicht genommen wurde und ob BVT-Chef Peter Gridling in die Genese der Einheit involviert war - hier finden Sie Pilz' gesamte Anfrage.

Peschorn hat nun - wie üblich zu Ende der achtwöchigen Antwortfrist - ein Schreiben ans Parlament übermittelt, in dem er festhält, dass er nicht gedenkt, Pilz' Fragen zu beantworten: "Die Abgeordneten Dr. Pilz, Freundinnen und Freunde sind nicht mehr Mitglieder des Nationalrates, womit die Anfrage nicht beantwortet werden kann."

Antwortpflicht auch bei Ausscheiden?

Das ist überraschend, weil die Pflicht, parlamentarische Anfragen zu beantworten,  dem Gesetz nach nicht an einem einzelnen Abgeordneten hängt: § 91 der Geschäftsordnung des Nationalrats sieht nämlich vor, dass ein Minister nicht den Abgeordneten direkt zu antworten hat, sondern "an den Präsidenten" (des Nationalrats, Anm.). 

Auch der Standard-Kommentar zur Geschäftsordnung, Atzwanger/Zögernitz, sieht das eindeutig so: "Die Verpflichtung zur Anfragebeantwortung ist unabhängig davon gegeben, ob der Anfragesteller im Zeitpunkt der Anfragebeantwortung noch Abg. ist", heißt es dort auf Seite 373.

Peschorn, selbst Jurist, vertritt eine andere Ansicht: Anfragen werden zwar von einem Abgeordneten und vier Unterstützern eingebracht, jedoch habe laut Geschäftsordnung des Nationalrates  (§91 Absatz 2 GOG-NR)  der bzw. die hauptunterzeichnete Abgeordnete allein die Möglichkeit, die Anfragen schriftlich zurückzuziehen, und zwar bis zum Einlangen der Beantwortung beim Nationalratspräsidenten.

Daraus schließt Peschorn: "Inhaber" und somit auch Adressat der Antwort sei der Abgeordnete, in diesem Fall Peter Pilz, nicht der Nationalratspräsident. Weder Pilz noch seine Liste Jetzt seien heute Mitglieder des Nationalrates, die Neuwahl habe vor der Frist für die Anfragebeantwortung stattgefunden. Es gebe daher keinen Adressaten für die Antwort.

Sauer aufgestoßen war die Nicht-Beantwortung auch deshalb, weil die Übergangsregierung von Kanzlerin Brigitte Bierlein bekundet hat, Anfragebeantwortungen sehr ernst zu nehmen. Auf Anfrage der Kleinen Zeitung erklärt ein Sprecher des Bundeskanzleramts zunächst, das sei auch weiterhin die Absicht: es sei auch nicht Regierungslinie, Pilz-Anfragen generell unbeantwortet zu lassen.

Innenminister Wolfgang Peschorn
Innenminister Wolfgang Peschorn © APA/HELMUT FOHRINGER

Kritik an Peschorn kommt auch von der Parlamentsdirektion: "Wir vertreten hier eine andere Rechtsansicht", so ein Sprecher zur Kleinen Zeitung: "Die Pflicht zur Anfragebeantwortung endet nicht mit Ende der Gesetzgebungsperiode".

Auch dem widerspricht Peschorn ganz grundsätzlich und verweist auf die "Diskontinuität" der Nationalräte, soll heißen: Der vorangegangene, bei der letzten Wahl gewählte Nationalrat sei nicht ident mit dem aktuellen Nationalrat. In einem Rundschreiben des Kanzleramtes aus dem Jahr 2017 sei auf diese Rechtsmeinung explizit hingewiesen worden. Die Wahl unterbreche somit auch Anfrage-Prozesse.

Neos wollen Anfragen neu stellen

Rechtliche Konsequenzen hat die Nicht-Beantwortung ohnehin nicht: Verweigert ein Minister Antworten oder gibt er sie nur ungenügend, kann der Nationalrat das politisch be- und verurteilen (im Extremfall bis zum Misstrauensantrag), automatische Folgen gibt es aber keine.

Los ist Peschorn die Anfrage damit auch nicht: Die Neos halten die Vorgangsweise des Ministers für unzulässig.  haben angekündigt, alle Pilz-Anfragen wortgleich abermals einbringen zu wollen.

Zudem wird Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper Peschorn in dieser Anfrage auch fragen, aufgrund welcher Rechtsansicht er auf eine Antwort verzichten wollte - und wie das mit der Linie anderer Ministerien zusammenpasse, solche "alten" Anfragen doch noch zu beantworten.

Peschorn zur Kleinen Zeitung: Neue Anfragen werde er selbstverständlich ordnungsgemäß beantworten. Und: Ja, in Sachen Diskontinuität habe er sich bisher tatsächlich über die Regelung hinweggesetzt und Anfragen aus der alten Periode beantwortet. Wenn es aber auch keinen Adressaten mehr gebe, sei dies nicht möglich.