Montagnachmittag trafen die neun Soziallandesräte in Wien in einer lang erwarteten Sitzung auf Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Es ging um die Reform der Mindestsicherung, die in den kommenden Wochen im Nationalrat beschlossen werden soll.

Vor allem die rot regierten Länder, allen voran Wien, haben sich nicht nur an den Inhalten des Sozialhilfegesetzes gestoßen, sondern auch daran, dass dieses Treffen erst knapp vier Wochen nach dem Beschluss des Gesetzesentwurfs im Ministerrat stattfindet. Die SPÖ-Landesräte hatten gehofft, vor dem Beschluss im Sozialausschuss des Nationalrates, der vom 3. auf den 15. April verschoben wurde, noch Änderungen zu erreichen. Nach dem Gespräch zeigten sich insbesondere die SPÖ-Landesräte maßlos enttäuscht. Einzig die steirische SPÖ-Landesrätin Doris Kampus sieht einen Hoffnungsschimmer am Horizont.

Hartinger-Klein erwartete "sachliches Gespräch"

"Ich erwarte mir von dem Treffen eine rege Diskussion, konstruktive Vorschläge und wünsche mir keine politische Agitation, sondern ein sachliches Gespräch," so Hartinger-Klein im Vorfeld in einer Aussendung am Montagvormittag. Sie verwies darauf, dass das Gesetz sechs Wochen in Begutachtung war und 150 Stellungnahmen eingebracht wurden. "Teilweise wurden diese auch in das neue Grundsatzgesetz eingearbeitet", so die Ministerin.

Die Hoffnung der SPÖ-Landesräte wich nach dem Gespräch der Ernüchterung. Der Wiener Stadtrat Peter Hacker ortete bei der anschließenden Pressekonferenz ein "unglaubliches Maß an Ignoranz", die Weigerung, eine Diskussion auf fachlicher Ebene überhaupt noch weiterzuführen. Die Ministerin habe die Argumente "vom Tisch gefetzt".

Wiens Stadtrat Peter Hacker führt die Front der SP-Sozialpolitiker gegen die Sozialhilfe Neu an
Wiens Stadtrat Peter Hacker führt die Front der SP-Sozialpolitiker gegen die Sozialhilfe Neu an © APA/ROLAND SCHLAGER

"Arme gegen Ärmere ausgespielt"

Für die Kärntner LH-Stellvertreterin Beate Prettner ist die Sozialhilfe neu ein "Armutsverschärfungsgesetz". Die Regierung "spielt Arme gegen noch Ärmere aus, sie treibt einen Keil in unsere Gesellschaft, und ich unterstelle, dass das ganz bewusst gemacht wird".

Es sei der Regierung auch egal, dass mit dem Gesetz die öffentliche Sicherheit gefährdet werde, indem nämlich etwa allein in Kärnten 278 subsidär Schutzberechtigten von einem Tag auf den anderen 500 Euro gestrichen würden. "Ich weiß nicht, was da passieren wird."

Schwarze Landespolitiker auf Linie

Die schwarzen Länderpolitiker habe sich ÖVP-Klubobchef August Wöginger im Vorfeld bereits "eingekauft", so Hacker. Was die sozialdemokratischen Sozialpolitiker - neben Hacker und Prettner auch Birgit Gerstorfer aus Oberösterreich und und Ulrike Königsberger-Ludwig aus Niederösterreich - so aufregt: Armen Menschen werde regelrecht Geld weggenommen, etwa der Heizkostenzuschuss oder Geld, das sie von Licht ins Dunkel oder aus anderen Sozialtöpfen beziehen - um dieses Geld werde künftig die Mindestsicherung gekürzt. In anderen Fragen - bei der Wohnraumunterstützung, beim Alleinerzieherzuschlag, in Bezug auf die Härtefallregelungen oder in Bezug auf die Überprüfung des Pflichtschulabschlusses habe die Ministerin einfach keine Antworten auf die offenen Fragen gegeben.

Hacker: "Diese Kaltherzigkeit hat uns überrascht. Wir werden ganz genau nachdenken über die politischen Antworten." Ob Wien seine Ankündigung wahrmachen werde, kein Landesgesetz zu erlassen, wollte er noch nicht endgültig beantworten.

Steirer hoffen

Nicht dabei bei der Pressekonferenz: die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus, ebenfalls SPÖ. Auch für sie war das Gespräch mit Hartinger-Klein "enttäuschend", aber die Zusage des ÖVP-Parlamentsklubchefs Wöginger, dass man sich die Frage der zusätzlich zur Mindestsicherung möglichen freiwilligen Sozialleistungen (ohne dass diese Beträge von der Mindestsicherung abgezogen werden) nochmals "anschauen" werde, sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Der Teufel bei der ganzen Materie stecke jedenfalls im Detail. "Die Regierung hat eine Vereinfachung bei der Mindestsicherung angekündigt, herausgekommen ist eine wesentlich kompliziertere Lösung."

Gesetz für Grüne "durch und durch unsozial"

Kritik kam auch von den Grünen Soziallandesräten. Im Gespräch am Montag sei wieder "unsere Kritik angehört, aber beinhart ignoriert" worden. Also bleibe das Gesetz "durch und durch unsozial". Hartinger-Klein rode damit die stabile, jahrzehntelang aufgebaute Soziallandschaft Österreichs, prangerten Katharina Wiesflecker (Vorarlberg), Gabi Fischer (Tirol) und Heinrich Schellhorn (Salzburg) vor allem die starke Kürzung bei Senioren, Geringverdienern und Kindern an. Sie hoffen, dass die Bundesräte die Reform vor den Verfassungsgerichtshof bringen. 

Für Hartinger nur "Fehlinterpretationen"

Als "nur teilweise konstruktiv" empfand Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ihr Gespräch mit den Soziallandesräten am Montag. Sie sprach - in einer schriftlichen Stellungnahme - von "Fehlinterpretationen".

Diese seien "unglaublich", "entbehren jeglicher vernünftigen Grundlage" und dienten "nur zur bewussten Verunsicherung der Bevölkerung", missfiel der Ministerin offensichtlich die von SPÖ- und Grünen Landesräten vorgebrachte Kritik.