Betriebsräte und Kassenfunktionäre seien „Beidl“, die SPÖ eine „Terrororganisation“. Dem Bundespräsidenten könne man genauso eine Nähe zu den Identitären nachsagen wie dem FPÖ-Chef. Die Stadt Wien „braucht und fördert“ illegale Einwanderung, die Regierung betreibe „Tarnen und Täuschen“. FPÖler seien die „faulsten Abgeordneten“, Peter Pilz ein „Sozialbauschmarotzer und Immunitätsflüchtling“, die SPÖ lauter „Pharisäer“.

Allesamt Aussagen, die diese Woche wörtlich in Plenarsitzungen des Nationalrats gefallen sind. Es war eine der aggressivsten Parlamentswochen seit Langem, geprägt mehr von Attacken der Parteien aufeinander und lautstarken Protesten darüber als von inhaltlicher Auseinandersetzung.

Die Präsidenten des Nationalrats: Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ)und Anneliese Kitzmüller (FPÖ)
Die Präsidenten des Nationalrats: Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ)und Anneliese Kitzmüller (FPÖ) © APA/ROLAND SCHLAGER

Eine Feststellung, die nicht nur Beobachtern der beiden Sitzungstage aufgefallen ist – auch das Parlamentspräsidium sieht sich zu einem außerordentlichen Schritt genötigt. In einem gemeinsamen Schreiben, das der Kleinen Zeitung vorliegt, ermahnen Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ)und Anneliese Kitzmüller (FPÖ) die Klubobleute, die Abgeordneten doch bitte an ihre politische Verantwortung zu erinnern.

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Das Schreiben der Präsidenten

„Alle Abgeordneten müssen sich immer bewusst sein, dass sie (...) für die Wahrnehmung und Achtung der Demokratie in der Öffentlichkeit verantwortlich sind. Ihr Verhalten im Nationalrat prägt maßgeblich die politische Kultur in Österreich“, schreiben die Präsidenten. Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen hänge nicht zuletzt davon ab, „ob Debatten sachlich und leidenschaftlich oder persönlich diffamierend und untergriffig geführt werden. Einer Eskalation, wie wir sie die letzten beiden Tage erleben mussten, und einer damit einhergehenden Zerstörung der politischen Kultur treten wir entschieden entgegen.“

Ein beispielloser allgemeiner Ordnungsruf von der Parlamentsspitze – die auch selber in der Kritik steht: Sobotka etwa „toleriert alles, was von rechts kommt“, urteilt Peter Pilz (Jetzt). Theoretisch könnte der Vorsitzführende einer Sitzung Rednern oder Zwischenrufern, die die Würde des Hauses verletzen, das Wort entziehen – was praktisch aber nie vorkommt.

Die aufgeheizte Stimmung mag an den polarisiserenden Themen gelegen haben, die auf der Tagesordnung standen: Am Mittwoch referierte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zur Reform der Mindestsicherung, Attacken auf das rot-grün regierte Wien inklusive. Am Donnerstag hatte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) über den Ermittlungsstand zu den Beziehungen des Christchurch-Attentäters zu Österreichs Rechten Auskunft gegeben.
Zumindest ein Fall im Plenum dieser Woche dürfte Konsequenzen haben: Die SPÖ, von FP-Mandatar Gerhard Deimek als „Terrororganisation“ bezeichnet, will ihn dafür klagen.