Alt-Präsident Heinz Fischer hat zu den Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zum Rechtsstaat mahnende Worte gefunden. "Wenn kürzlich ein Regierungsmitglied den Standpunkt vertreten hat, dass nicht die Politik dem Recht zu folgen hat, sondern das Recht der Politik, dann wird der Rechtsstaat massiv herausgefordert", so Fischer in einem Beitrag für die "Wiener Zeitung" (Freitag-Ausgabe).

Die Vorsitzende der Richtervereinigung, Sabine Matejka, erklärte in der ZiB2, viele Richter seien über Kickls Äußerungen schockiert und empört. "Die Botschaft der Aussagen des Innenministers, die ankam, war, dass das Recht dem Zuruf der Politik zu folgen habe". Wer die Menschenrechte in Frage stellt, stelle auch unseren Rechtsstaat in Frage, kritisierte Matejka.

Im demokratischen Rechtsstaat sei auch die Politik an das Recht gebunden, betont Ex-Bundespräsident Heinz Fischer in seinem Gastbeitrag. "Die Grundwerte unserer Verfassung sind von größter Wichtigkeit und müssen von allen respektiert werden. Wir bleiben aktive und überzeugte Mitglieder der EU und dürfen einen aggressiven Nationalismus nicht groß werden lassen", so Fischer. "Gemeinsame Anstrengungen in dieser Richtung werden erfolgreich sein, während ein 'kreatives' Spiel mit Grundrechten unser Land spaltet und letztlich uns allen schaden würde."

Flüchtlinge zu Sündenböcken gemacht

Thematisiert wurde von Fischer auch der Umgang mit Flüchtlingen: Es sei nicht der richtige Weg, mit einer außergewöhnlichen Belastung wie den großen Flüchtlingsbewegungen fertig zu werden, "indem man Flüchtlinge oft pauschal zu Sündenböcken macht, indem man Vorurteile schürt, indem man sie zu Schmarotzern und 'Sozialtouristen' stempelt". Dies geschehe beispielsweise auch dadurch, "dass man für die Bürger eines Landes ein Lebensminimum (Mindestsicherung) definiert, aber dann zusätzliche Spielregeln einführen will, die besonders auf Flüchtlinge zutreffen und für diese das Lebensminimum noch weiter gravierend herabsetzt."

Hier werde nicht "sachlich differenziert", sondern "es werden bewusst Schranken zwischen den 'Eigenen', den Stärkeren, den Wahlberechtigten und den 'Anderen', den Schwächeren, den Flüchtlingen, den nicht Wahlberechtigten geschaffen", schreibt Fischer.

Kickl hat indes weitere Taten gesetzt: Er hat dem Bundesamt für Fremden- und Asylwesen die Personalhoheit entzogen und kann Beamte dort nun selbst ernennen.

Kritik an den Aussagen von Innenminister Kickl übte unterdessen auch der ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Othmar Karas. "Jemand, der die Menschenrechtskonvention infrage stellt und die Regeln, die wir uns gemeinsam gesetzt haben, der rüttelt an den Grundlagen des Zusammenhalts der Gesellschaft und an der Zusammenarbeit in der Europäischen Union", sagte der EU-Mandatar in einem Interview mit dem "Standard".

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert den Rücktritt des Innenministers. Die SP will einen Misstrauensantrag gegen ihn einbringen, so wie auch die Neos. "Wenn Kickl noch einen Funken von Anstand und Respekt vor der Demokratie hätte, würde er zurücktreten", erklärte Rendi-Wagner im ORF-Morgenjournal.

"Pseudo-moralisch"

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache teilte am Donnerstagabend unterdessen auf seinem privaten Facebook-Account einen langen Facebook-Kommentar der FPÖ-Abgeordneten Petra Steger, in dem sie angesichts der Kritik an Kickl von einem "pseudomoralischen Standgericht" schreibt, bei dem "das mediale Bashing und die mediale Vernichtung eines Menschen auf der Tagesordnung steht".

Dabei würden Aussagen "vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen", in diese "vorsätzlich das Übelste hineininterpretiert" und auch Aussagen unterstellt, "die nie getätigt wurden". Das sei "nichts anderes als Agitation der Linken miesesten Stils, den wir leider nur zu gut kennen. Das ist nichts anderes als Gesinnungsterror!", so Steger in ihrem mit "Es reicht!" getitelten Schreiben. "Herbert Kickl ist ein lupenreiner Demokrat von dem sich so manche von der Opposition ein Stück Demokratie abschneiden könnten", schreibt die FPÖ-Mandatarin.

Der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann im Nationalrat, Johann Gudenus, stellt sich in der Diskussion um die Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zum Rechtsstaat klar hinter seinen Parteifreund. Zu der von Kickl in Frage gestellten Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sagte Gudenus im "Standard" (Freitag-Ausgabe), er selbst wolle diese nicht ändern, aber "richtig" auslegen.