Es ist juristisches Neuland, auf das sich der ehemalige Justizminister Dieter Böhmdorfer für die FPÖ begibt – schon wieder. Böhmdorfers Kanzlei war es, die Mitte 2016, nachdem die Stichwahl um die Bundespräsidentenwahl mit 50,3 Prozent für Alexander Van der Bellen und gegen Norbert Hofer ausgegangen war, Unregelmäßigkeiten bei der Wahl aus dem ganzen Land zusammengetragen hatte – und damit vor dem Verfassungsgerichtshof die erste bundesweite Aufhebung der Wahl erwirkte.

Ausgezahlt hat sich das für die FPÖ nicht: Bei der Wiederholung der Wahl kam Hofer nur mehr auf 46,2 Prozent der Stimmen, der Grüne Van der Bellen zog mit einer noch klareren Mehrheit in die Hofburg ein.
Außer Spesen nichts gewesen, also – und genau die Spesen will sich die FPÖ jetzt zurückholen: Sie klagt die Republik auf 3,4 Millionen Euro. So viel habe die Partei die Wiederholung, vor allem der neuerliche Hofer-Wahlkampf, gekostet.

Amtshaftung für Beamte und Wahlzeugen

Juristisch ist das ein Unterfangen mit vielen offenen Fragen und ungewissem Ausgang: Die FPÖ wird Amtshaftung geltend machen, weil die Bezirksbeamten und Wahlzeugen (darunter auch solche, die die FPÖ nominiert hatte) als Organe der Republik tätig waren, als sie die Formvorschriften bei der Auszählung Zehntausender Briefwahlstimmen verletzt hatten.

Dass es Rechtsverletzungen gab, ist unstrittig – mehrere Mitglieder der Wahlbehörden, etwa der Bürgermeister von Villach, Günther Albel (SPÖ), wurden bereits strafrechtlich verurteilt. Andererseits könnte die FPÖ der Republik auch ein „Organisationsverschulden“ zur Last legen – weil sie nicht ausreichend Vorsorge getroffen habe, Fehler zu vermeiden.
Ob die FPÖ deswegen Schadenersatz bekommen wird, ist aber offen. Einerseits ist unklar, ob es sich bei den Wahlkampfkosten überhaupt um einen Schaden im rechtlichen Sinn handelt: Nicht nur, dass ja nicht die FPÖ selbst angetreten ist, sondern der Einzelkandidat Hofer – Ausgaben für einen Wahlkampf führen in erster Linie einmal zu Aufmerksamkeit, nicht aber automatisch zu einem Wahlerfolg.

Soll das Wahlrecht die Parteien schützen?

Außerdem wird das Gericht klären müssen, ob es auch Schutzzweck der strengen Formregeln für die Wahlauszählung ist, Parteien und andere Spender vor solchen frustrierten Aufwendungen zu schützen, erklärt Andreas Geroldinger, Rechtsschutzexperte und Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Linz.

Er sieht auch noch weiterreichende Fragen, die in dem Prozess geklärt werden müssen: etwa ein mögliches Mitverschulden der FPÖ über die von ihr entsandten Wahlzeugen – und die Frage, ob die Republik im Fall einer Verurteilung ihrerseits den Schaden bei den Beamten und Beisitzern einklagen kann. „Das könne das Funktionieren der Wahl an sich beeinträchtigen“, sagt Geroldinger, wenn die ehrenamtliche Mitwirkung an einer Wahl plötzlich mit der Übernahme gewaltiger Haftung verbunden wäre.
Aus diesen Gründen verzichtet etwa die Gegenseite auf eine eigene Klage: Man wolle nicht, dass als Folge einer solchen Klage einfache Wahlbeisitzer zum Handkuss kommen, so der Ex-Wahlkampfleiter Van der Bellens, Lothar Lockl.