Es sind vor allem zwei Gruppen, die durch die Reform der Mindestsicherung, die die Regierung am Mittwoch präsentiert hat, Geld verlieren werden: Familien mit mehr als zwei Kindern - und Menschen, die nicht gut oder gar nicht Deutsch sprechen.

Wie berichtet plant die türkis-blaue Koalition ja, die bisher von Land zu Land unterschiedlich gehandhabte Mindestsicherung zu reformieren - das ist die letzte Sozialleistung für Menschen in Österreich, die weder ausreichendes Einkommen noch genügend hohe Versicherungsleistungen (wie die Arbeitslose) beziehen, um sich selbst zu erhalten.

Erklärtes Ziel der Reform, unter anderem: Der „Zuwanderung in das System der Mindestsicherung“ (Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP) einen Riegel vorzuschieben: 2017 waren die Hälfte der Bezieher der Mindestsicherung nicht österreichische Staatsbürger. In den vergangenen Jahren ist der Aufwand für die Mindestsicherung deutlich gestiegen.

Flüchtlinge schlechter behandeln geht nicht

Weil aber verfassungs-, völker- und europarechtliche Vorgaben eine absichtliche Schlechterbehandlung von Migranten verbieten - EU-Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung und Asylberechtigte müssen im Wesentlichen Österreichern gleichgestellt werden -, kann die Koalition diesen nicht unmittelbar die Mindestsicherung streichen oder kürzen. Erst vergangene Woche hat der Europäische Gerichtshof eine entsprechende Regelung der oberösterreichischen Mindestsicherung für EU-rechtswidrig erklärt.

Daher hat die Regierung unter anderem den Umweg über Deutschkenntnisse (und eine fünfjährige Wartefrist für manche EU-Ausländer) gewählt, um die Mindestsicherung für neue Zuwanderer unattraktiv zu machen. Wer nicht entweder einen Abschluss an einer deutschsprachigen Pflichtschule, ein Zertifikat eines B1-Sprachkurses oder eine deutsche Vorsprache beim Sozialamt vorweisen kann, dem soll die Mindestsicherung empfindlich gekürzt werden: Statt eines maximalen Basisbetrags von 863 Euro stehen dann nur noch maximal 561 Euro zu, die Differenz soll das Amt in einen (verpflichtenden) Deutschkurs investieren.

Harte Deckelung verfassungswidrig

Die zweite Kürzung betrifft Familien mit mehr als zwei Kindern: Statt wie bisher in den meisten Ländern einen fixen Betrag pro Kind auszuzahlen, sinkt der Aufschlag auf die Mindestsicherung mit jedem weiteren Kind deutlich: Familien mit einem Kind bekommen 25 Prozent mehr, für das zweite Kind kommen 15, für jedes weitere nur noch fünf Prozent dazu. Während das eine „harte“ Deckelung der Mindestsicherung vermeidet - eine solche von 1500 Euro pro Familie hat der Verfassungsgerichtshof im Frühjahr in Niederösterreich aufgehoben -, führt das bei größeren Familien zu teils drastischen Kürzungen.

Generell lassen sich nur schwer Angaben dazu machen, wer durch die Reform gewinnen und wer verlieren wird: Je nach Familien- und Aufenthaltsform hat sich die Praxis der Mindestsicherung in den Bundesländern teilweise massiv unterschieden. Genau das soll sich aber mit der Reform ändern: Das neue Grundsatzgesetz soll den Spielraum der Länder verkleinern, wie viel sie jeweils auszahlen dürfen.

Massive Unterschiede von Land zu Land

Was bleibt, ist einerseits die Möglichkeit, 40 Prozent der Mindestsicherung als „Sachleistung“ (etwa in Form der direkten Bezahlung von Mieten) zur Verfügung zu stellen. Andererseits können Länder in Einzelfällen bei Bedarf den Basisbetrag um bis zu 30 Prozent überschreiten, um etwa in Städten mit hohen Wohnkosten höhere Mindestsicherung auszuzahlen.

Entschärft wird der Vermögenszugriff: Nicht nur, dass man zukünftig rund 5200 Euro (bisher 4100) wird behalten dürfen, bevor man Mindestsicherung beantragt - die Frist, bevor die öffentliche Hand bei der Privatwohnung ein Pfandrecht in das Grundbuch schreibt, wird von sechs Monaten auf drei Jahre verlängert.

In der "Zeit im Bild 2" hat Kurz die neue Mindestsicherung gestern abend folgendermaßen erklärt: