Heute wurde die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger vom Ministerrat abgesegnet - es ist das Ende der Krankenkassen, wie wir sie kennen

Innerhalb der (verkürzten) Begutachtungsfrist hatten sich zahlreiche Institutionen kritisch zu den Plänen der Regierung geäußert, diese hält jedoch in den wesentlichen Punkten daran fest. Im Dezember wird das Parlament die Reform beschließen.

In der Aktuellen Stunde im Parlament wird seit 9 Uhr darüber diskutiert, und die SPÖ bringt auch eine Dringliche Anfrage zu diesem Thema ein, über die ab 15 Uhr debattiert wird.

Die Regierung verteidigt die Reform, die Opposition sieht nur eine Scheinreform: "Die Leistungsvereinheitlichung, von der Sie sprechen, gibt es nicht", so die Neos-Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger: "Sie streuen den Menschen Sand in die Augen". Weder die Gleichstellung von Angestellten und Beamten finde statt, noch jene von Politikern mit dem Rest der (österreichischen) Welt.

Dieses Sein bestimme das Bewusstsein, formulierte auch Pamela Rendi-Wagner (SPÖ): Der Bauarbeiter im Burgenland werde künftig jedenfalls nicht die selben Leistungen erhalten wie die Politiker im Parlament.

Daniela Holzinger von der Liste Pilz kritisierte, das auf die verfassungsrechtlichen Bedenken keine Rücksicht genommen wurde, die Wissenden aus den Kassen nicht eingebunden und die Kosten verschleiert wurden.

Die Opposition berief sich mit ihrer Kritik vor allem auf Rechnungshof und Verfassungsdienst. Holzinger: "Zurück an den Start: Schaffen wir eine echte Grundlage für eine Gesundheitsreform."

"Es ist gelungen"

Die Regierung hingegen ist stolz auf ihr Werk. "Es ist gelungen", frohlockte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Die Regierung verteidigte die Reform auch einmal mehr gegen die vielfältige Kritik - die Diskussion darüber, ob man tatsächlich eine Milliarde einsparen kann, bewertete Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als "Versuch eines gewissen Ablenkungsmanövers". 

Als Reaktion auf die vielstimmige Kritik am Gesetzesentwurf wurden nur in kleinen Bereichen noch Änderungen vorgenommen:

  • Die Regierung hält am künftigen Gleichstand zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern in den Gremien fest. Aber: Bei wichtigen Entscheidungen, zum Beispiel neuen Leistungsverträgen, sind doppelte Mehrheiten vorgesehen, das heißt, es muss sowohl innerhalb der Arbeitnehmer- als auch innerhalb der Arbeitgebervertreter eine Mehrheit dafür geben.
  • Die Regierung hält auch an der Übertragung der Prüfungsagenden von der Gebietskrankenkasse auf die Finanzämter fest. Es gab schon bisher eine geteilte Zuständigkeit - beide Institutionen teilten sich die Prüfungen auf. Dass nun nur noch die Finanz zuständig sein sollte, ließ die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass es nur noch um die tatsächliche ordnungsgemäße Abführung der vorgeschriebenen Beiträge gehen werde, und nicht mehr darum, ob etwa Scheinselbständige nicht eigentlich angestellt gehörten und daher sozialversicherungspflichtig wären. Diese Prüfung hatte bisher erhebliche Nachzahlungen zur Folge und war ein wichtiger Hebel. Nun wurde vereinbart, dass die Selbstverwaltung jedenfalls auch künftig Einzelfallprüfungen "anregen" darf. Durch die Konzentration bei der Finanz werde die Prüfung einheitlicher erfolgen und würden auch die Rahmenbedingungen für die Prüfer (Zulagen, etc.) vereinheitlicht. Künftig sollen auch vermehrt Analysetools zur Anwendung kommen, die Betriebe mit geringem Risiko von Vergehen seltener geprüft werden als bisher.
  • Massive Kritik gab es an der Ausweitung der Aufsichtsrechte des Sozialministeriums. Gibt es keinen Konsens in der Selbstverwaltung, wo ja ein Gleichstand zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besteht, kann das Ministerium entscheiden. Geändert wurde hier nur ein Detail: Das Sozialressort kann Tagesordnungspunkte nicht einfach absetzen, sondern nur eine Verschiebung erwirken. Die Rechte der von Sozial- und Finanzministerium bestellten Manager, die die Zusammenlegung vorbereiten sollen, wurden allerdings abgeschwächt.
  • Die Höhe der Einsparungen - laut Regierung eine Milliarde bis zum Jahr 2023 - wurde nicht zuletzt vom Rechnungshof stark bezweifelt. Hier wurde nur die Formulierung geändert. Die Regierung hält die Einsparungen immer noch für möglich, sie werden aber nicht mehr als solche ausgewiesen. Man betont zudem, das Geld werde im System bleiben.

Das ORF-Morgenjournal zitierte Verfassungsrechtler Bernhard Raschauer mit der Erwartung, dass die Reform vor den Höchstrichtern halten werde, da es keinen "unsachlichen Eingriff" in die Selbstverwaltung gebe.

Davon, dass es eine Anfechtung geben werde, geht er aus.

Besonders vernichtend waren im Rahmen der Begutachtung die Stellungnahmen von Rechnungshof und Verfassungsdienst des Justizministeriums ausgefallen. Ersterer hatte die Kosten und Einsparungen massiv bezweifelt, Zweiterer den Eingriff in die Selbstverwaltung als verfassungswidrig erachtet.

Der ehemalige Verfassungsrichter Rudolf Müller hatte im Auftrag der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse kritisiert, dass die Arbeitgeber mehr Gewicht bekommen, was sich etwa bei der Einführung von Selbstbehalten ausdrücken könnte oder auch in der Zielsetzung, die Zahl der Krankenstände zu senken.  Außerdem kritisierte er, dass in den Überleitungsgremien durch die Bestimmungen keine Betriebsräte oder Gewerkschafter vertreten sein können.