Groß war der Aufschrei der Ländern, als Sie angekündigt haben, 32,5 Millionen Euro bei der Kinderbetreuung einsparen zu wollen. Heute Abend - wenige Tage vor Ablauf der entsprechenden 15a-Vereinbarungen – soll man sich nun geeinigt haben. Wie kam es dazu?
Juliane Bogner-Strauß: Es gab in den letzten Wochen sehr gute Gespräche mit den Ländern und wir stehen unmittelbar vor einer Einigung.

Es wird kolportiert, dass die Mittel nun doch nicht gekürzt wurden. Sind Sie umgefallen?
Bund und Länder bewegen sich weiterhin aufeinander zu. Ich denke, dass am Ende alle Beteiligten zufrieden sein werden.

Wenn sowohl Sie, als auch die Länder glücklich sein werden: Ist frisches Geld aufgetaucht?
Details zu den Verhandlungen werden wir morgen Vormittag präsentieren. Mir ist wichtig, dass die Betreuung für Unter-Drei-Jährige und die Öffnungszeiten von Einrichtungen ausgebaut werden.

Wäre Ihnen eine zentrale Regelung durch den Bund lieber gewesen als mit den Ländern zu verhandeln?
Nein, denn ich bin mir sicher, dass es in diesem Bereich Sinn macht, die Kompetenz bei den Ländern zu lassen. Denn die Gemeinden wissen am besten, wo der Bedarf liegt und wie man ihn abdecken kann. Dafür machen sie ja auch entsprechende Bedarfserhebungen.

Frauen – vor allem am Land – berichten bis heute von Anfeindungen, wenn sie ihre Kinder in die Betreuung geben, um arbeiten zu gehen. Was müssen Sie als Familienministerin hier tun?
Mir ist es ganz wichtig, hier einzugreifen. Wir müssen gesellschaftlich umdenken. Wenn jemand sein Kind mit einem Jahr in die Kinderbetreuung gibt, dann muss das ebenso akzeptiert werden, wie wenn er oder sie zu Hause bleiben will. Diese Wahlfreiheit muss es geben und deshalb plädiere ich auf die Partnerschaftlichkeit. Kinderbetreuung darf nicht nur an den Frauen hängen bleiben.

Das Wort „Partnerschaftlichkeit“ hört man in der Familienpolitik seit Jahren, Frauen sind damit aber auf die Kulanz des Partners angewiesen. Warum erklärt man die Aufteilung der Betreuung gänzlich zur Privatsache?
Hier hat sich die Familienpolitik der letzten Jahre deutlich geändert und mit Väterkarenz und Co. zahlreiche gute Angebote geschaffen. Man kann die Menschen aber nicht dazu zwingen, diese auch anzunehmen. Männer könnten ja auch weniger arbeiten und mehr zuhause bleiben, damit Frauen wieder in den Beruf zurückfinden können.

Die Jobs von Männern sind aber oft deutlich besser bezahlt als jene von Frauen. Ist das nicht eine blauäugige Forderung?
Bevor das erste Kind kommt, trifft das nicht zu. Es gibt davor fast keinen Gender-Gap. Dann gehen Frauen aber oft in Teilzeit und bleiben dort sehr lange. Warum? Auch deshalb, weil sich die Aufstiegschancen für sie durch ein Kind reduzieren. Unternehmen müssen hier umdenken und diese Frauen wieder gezielt integrieren. Alles andere ist wirtschaftlicher Unfug. Wir verlieren 50 Prozent der Köpfe, wenn wir auf diese Frauen verzichten. Und, reden wir Tacheles: Wenn Frauen in Führungsebenen sind, funktioniert das wunderbar. Im Privatbereich wären wir wieder bei der Partnerschaftlichkeit.

Mit wem sollen sich alleinerziehende Mütter und Väter partnerschaftlich arrangieren?
Natürlich verstehe ich es bis zu einem gewissen Grad, dass es viel belastender ist, wenn man alles alleine machen muss. Aber es kann funktionieren, man muss sich ein Netzwerk aus Großeltern, Freunden und Bekannten mit Kindern aufbauen. Natürlich wird es immer wieder Betreuungsengpässe geben. Aber ich darf von allen Eltern auch Einsatz erwarten. Zum Beispiel, dass man im Sommer zum Kindergarten in die nächste Gemeinde fährt. Den Greißler um’s Eck gibt es ja auch nicht mehr. Und bei der Forderung nach Öffnungszeiten von mehr als 12 Stunden traue ich mich als Mutter schon zu fragen: Will ich mein Kind wirklich 12 Stunden in die Betreuung geben? Wenn ich mich für Kinder entscheide, entschiede ich mich auch für ihre Erziehung.

Stichwort „für ein Kind entscheiden“: In Westeuropa gehören wir zu den wenigen Ländern, die keine Verhütungsmittel auf Krankenschein ermöglichen. Experten fordern das seit Jahren. Warum traut sich die Politik nicht, dieses heiße Thema anzugreifen?
Grundsätzlich glaube ich, dass Verhütung in Österreich niederschwellig und günstig zu bekommen ist. Aber Studien zeigen tatsächlich, dass in europäischen Ländern mit kostenloser Verhütung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zurückgeht. Deshalb glaube ich, dass man laut darüber nachdenken sollte, ob man Verhütungsmittel – sozial gestaffelt – kostenlos anbietet.

Halten Sie diesen Vorstoß in einer rechtskonservativen Regierung für durchsetzbar?
Natürlich ist das ein heikles Thema. Aber bei einer hohen Zahl an Abtreibungen und einer niedrigen Geburtenrate im Land sollte man darüber reden.

Die Opposition wirft der Regierung vor, frauenpolitische Errungenschaften rückgängig zu machen. Frauen zurück an den Herd?
Die Opposition sagt vieles, toll wäre es aber, wenn sie endlich eigene Themen bringen würde. Ich bin jetzt Frauenministerin und möchte meinen eigenen Fokus setzen. Und dieser liegt auf Gewaltschutz, dem Schließen der Einkommensschere und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen.

Die Initiatorinnen des zweiten Frauenvolksbegehrens fordern Ihren Rücktritt. Trifft Sie das?
Gar nicht. Wenn man sich so etwas zu Herzen nimmt, stagniert man. Man kann es nie allen recht machen. Ich werde meinen Weg gehen.