Die ÖVP will „dafür kämpfen“, die Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre zu senken, wie die beiden ÖVP-Minister Gerhard Karner und Karoline Edtstadler beteuern. Grausame Taten, teils verübt von Minderjährigen, würden Handlungsbedarf aufzeigen, entsprechende Empfehlungen dazu kommen nun von einer „breit aufgestellten, interministeriellen Arbeitsgruppe“, betont Karner. Dass in dieser ausschließlich Vertreterinnen und Vertreter ÖVP-geführter Ministerien sitzen und das hauptbetroffene Justizministerium nach einer ersten Koordinationssitzung nicht mehr eingeladen wurde, verwundert nicht. Ebenso wenig wie der Umstand, dass besagte Ministerien zur gleichen Ansicht kommen, wie Bundeskanzler Karl Nehammer, der die Senkung erst ins Spiel gebracht hat.

Die Debatte verläuft seither hitzig, die eingebrachten Argumente sind durchaus mit Vorsicht zu genießen. So wird von der Volkspartei gern das Beispiel Schweiz bemüht, wo junge Menschen bereits mit Zehn strafmündig sind. Unter den Tisch fällt dabei jedoch der Umstand, dass dort Geld- und Haftstrafen in der Praxis auch bei schweren Taten erst ab 15 Jahren drohen. Zuvor wird auf „Schutzmaßnahmen“ und Jugendarbeit gesetzt. Und die ebenfalls gern betonte Verdopplung der Zahl der Tatverdächtigen zwischen 10 und 14 Jahren in der Kriminalitätsstatistik lässt sich auch abseits wild gewordener Junger erklären. Unter anderem mit gesteigerter Sensibilität und Anzeigefreudigkeit sowie dem digitalen Raum als neues „Betätigungsfeld“.

Die jüngsten Taten verlangen keine hastige Anlassgesetzgebung

Für die ÖVP gibt es bei ihrem Vorstoß nichts zu verlieren. Viele befürworten eine Senkung der Strafmündigkeit. Und auch, wenn das Vorhaben nicht durchgeht, kann man damit in den Wahlkampf ziehen und die Grünen als Verhinderer darstellen. Diese müssen sich hingegen die Frage gefallen lassen, warum sich ihr deutscher Parteikollege Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zumindest für eine Überprüfung der dort ebenfalls bei 14 liegenden Strafmündigkeit ausspricht.

Die jüngsten Taten verlangen keine hastige Anlassgesetzgebung, sondern eine möglichst emotionslos geführte Debatte darüber, ob die aktuelle Regelung noch zeitgemäß sind. Eine solche ist jedoch nur möglich, wenn man auch wirklich alle Fakten auf den Tisch legt. Dass sich die Kanzlerpartei hinstellt und leichter anzuordnende Unterbringungen in Wohn- oder ambulanten Jugendeinrichtungen fordert, obwohl dieser Bereich bekanntlich seit Jahren stark unterfinanziert ist und Betroffene schon jetzt unterversorgt sind, ist ein Vorgaukeln einfacher Lösungen. Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur, die auch Junge aufnimmt, die früh mit dem Gesetz in Konflikt kommen, wäre ein durchaus geeigneter Schritt, um weitere Straftaten frühzeitig zu verhindern. Er würde jedoch auch viele Jahre und Milliarden in Anspruch nehmen. So ehrlich muss man sein. Aber in Wahlkampfzeiten nimmt man es damit bekanntlich nicht allzu genau.