Eigentlich hatten die Fraktionen einen Spionage-Schwerpunkt im „Rot-blauen-Machtmissbrauch-U-Ausschuss“ angekündigt. Immerhin dominiert die Affäre rund um den früheren Verfassungsschützer Egisto Ott seit Tagen die Schlagzeilen. Doch am Mittwochnachmittag dämpfte Verfahrensrichterin Christa Edwards die Erwartungen: Weder Russland-Verbindungen noch Spionage seien im Einsetzungsverlangen der ÖVP als Teil des Untersuchungsgegenstandes festgeschrieben. Mehrere Ministerien hätten dazu allerdings Akten geliefert, widersprach Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski. „Ich hätte fast gesagt, das ist eine parlamentarische Selbstkastration“, meinte die Abgeordnete, die Verfahrensrichterin blieb bei ihrer Einschätzung und bat die Öffentlichkeit um Verständnis. „Es wäre der ÖVP freigestanden, es reinzuschreiben, es kann niemand was dafür, dass es nicht drinnen steht“, fügte sie hinzu.

Die Abgeordneten versuchten am Nachmittag trotzdem, die ehemalige Leiterin des Extremismusreferats des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu Ott zu befragen. Ja, sie habe mit dem „Ott-Egisto“ früher im „Russenbereich“ zusammengearbeitet, gab die Auskunftsperson an. Zu dessen Kontakten zum flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek habe sie aber keine Wahrnehmungen, ebenso wenig zu angeblichen Plänen, dass Ott im BVT eine Führungsposition übernehmen hätte sollen.

Befragung von BVT-Beamtin sorgt für Geschäftsordnungsdebatten

Auch zu ihren Erinnerungen an die Hausdurchsuchung im BVT 2018 wurde die Beamtin im Ruhestand befragt. Die Durchsuchung sei „sehr martialisch abgegangen“, erzählte sie. Außerdem habe sie sich in den Verfahren im Anschluss „nicht wie eine Zeugin gefühlt, sondern wie eine Beschuldigte ohne Rechte“. Auch Ereignisse im Nachhinein hätten sie „sehr nachdenklich gestimmt“, etwa sei der Ausdruck eines E-Mails zu einem bekannten Rechtsextremen spurlos verschwunden. Durch zahlreiche Geschäftsordnungsdebatten zog sich die Befragung in die Länge, vor allem die FPÖ-Fraktion meldete wiederholt Bedenken zu Fragen an.

Wo ist die „Patientenmilliarde“?

Den Anfang hatte am Mittwochvormittag Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker gemacht, Thema war die 2018 beschlossene Strukturreform der Sozialversicherungen. Die dabei erfolgte Zusammenlegung der Krankenkassen habe zu zusätzlichen Kosten anstelle einer „Patientenmilliarde“ geführt, hatte der Rechnungshof in einem Bericht kritisiert.

In der wirkungsorientierten Folgenabschätzung sei die Politik damals von 30 Prozent Einsparungen bei der Verwaltung ausgegangen, daraus errechnete man die „Patientenmilliarde“ bis Ende 2023. Die Prüfer hätten damals nachgerechnet und eine „Diskrepanz“ zum Ergebnis der Politik festgestellt, erinnerte sich Kraker am Mittwoch. Im ursprünglichen Begutachtungsentwurf sei man auch noch von Einsparungen in der Höhe von 350 Millionen Euro ausgegangen, erst nach der Begutachtung wurde dieser Wert nach oben korrigiert, merkte der grüne Abgeordnete Markus Koza an.

Am Abend verteidigte Hartinger-Klein, die als dritte Auskunftsperson geladen war, die Reform, diese sei die „richtige Entscheidung“ gewesen. Die „Patientenmilliarde“ sei das „Marketing-Wording der Kommunikationsexperten des damaligen Bundeskanzlers“ gewesen. Sie habe einen „Wutanfall bekommen, als mit diesem Wording an die Öffentlichkeit gegangen wurde“. Tatsächlich seien den Patientinnen und Patienten seither Mehrleistungen zugutegekommen, betonte Hartinger-Klein.

Hartinger-Klein: „Habe nichts geschreddert“

Für Ärger hatten im Vorfeld des U-Ausschusses fehlende Akten aus dem früheren Sozialministerium gesorgt. „Im großen Stil“ sei geschreddert worden, beklagte die ÖVP, andere Akten hat Hartinger-Klein offenbar als Privatakten deklariert, wodurch diese für 25 Jahre versiegelt im Staatsarchiv aufbewahrt werden. Auch der Rechnungshof hatte in seinem Bericht zur Fusion die mangelnde Dokumentation bemängelt. Wesentliche Entscheidungsgrundlagen müssten aufbewahrt werden, um eine Prüfung zu ermöglichen, betonte Kraker auch am Mittwoch.

Dokumentationsmängel gibt es offenbar auch im Zusammenhang mit externen Beratungsaufträgen, die das Hartinger-Klein-Ministerium in Anspruch genommen hatte. Ein Datenträger, auf dem laut dem Ministerium Details zu mehreren Vergaben gespeichert sein sollten, sei etwa „nicht auffindbar“ gewesen, erinnerte sich Kraker.

Koza wollte wissen, ob es üblich sei, dass teure Beraterstunden für einfache Tätigkeiten wie „Geschirr bestellen und Türschilder tauschen“ verrechnet werden – das dürfte wohl laut Akten im Sozialministerium so geschehen sein. Der Rechnungshof habe das als „bemerkenswert“ erachtet und deshalb in einem Bericht festgehalten, sagte Kraker.

Kritik an Generalsekretariaten in Ministerien

Einen Themenwechsel vollzog Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty, er erkundigte sich, wie der Rechnungshof zu den Generalsekretariaten in den Ministerien stehe und ob diese „zweckmäßig und sparsam“ seien. Es handle sich bei den Büros der Generalsekretäre um eine „Mischform“ zwischen oberster Verwaltung und einem Unterstützungsapparat des jeweiligen Ministers, kritisierte Kraker. „Wir haben auch an der personellen Ausstattung Kritik geübt. Die Büros der Generalsekretäre sind dazugekommen, der Personalstand in den Kabinetten nicht weniger geworden.“

Die ÖVP-Fraktion versuchte, zur Finanzcausa der FPÖ-Graz beziehungsweise Steiermark fragen. Das sei nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes, entgegnete der am Vormittag anwesende Verfahrensrichter, da das Thema nicht die Vollziehung des Bundes betreffe. Fraktionsführer Andreas Hanger appellierte, das „differenzierter“ zu betrachten. Denn die Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft in der Causa „sind ganz klar in der Vollziehung des Bundes“. Der Verfahrensrichter blieb bei seiner Einschätzung

Hartinger-Klein: „Habe nicht schreddern lassen“

Hartinger-Klein widersprach später während ihrer eigenen Befragung der Darstellung zu den Privatakten und der Vernichtung von Dokumenten. Die Akten seien nach ihrer Amtszeit an das Staatsarchiv übermittelt worden, sie könne mit dem Verschwinden nichts zu tun haben. „Ich habe nichts geschreddert und das auch nicht in Auftrag gegeben“, beteuerte die Ex-Ministerin.

Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty interessierte sich auch für die Inseratenvergaben aus Hartinger-Kleins Zeit als Ministerin. Sie könne sich nicht erinnern, in Chat-Gruppen gewesen zu sein, in denen über diese diskutiert wurde, gab die Ex-Ministerin an. Shetty legte ihr eine Nachricht des früheren Vizekanzlers Heinz Christian Strache vor, die in eine Gruppe geschickt worden war, der auch Hartinger-Klein angehörte. „Bitte weiter bei Fellner schalten“, heißt es darin. Sie könne sich nicht an diesen Chat erinnern, sagte Hartinger-Klein aus. „Ich habe solche Chats auch nicht sehr ernst genommen.“

ÖVP will Verfehlungen in SPÖ- und FPÖ-Ministerien untersuchen

Ziel des Untersuchungsausschusses, den die ÖVP im Alleingang eingesetzt hat, ist es, mögliche Verfehlungen in früheren SPÖ- und FPÖ-geführten Ministerien unter die Lupe zu nehmen. Der Untersuchungszeitraum reicht bis zur Kanzlerschaft von Alfred Gusenbauer (SPÖ) im Jahr 2007 zurück. Am Donnerstag wird FPÖ-Chef Herbert Kickl sich im U-Ausschuss den Fragen der Abgeordneten stellen.