Die Bundesregierung hat am Mittwoch nach dem vierten Gewaltschutzgipfel den Startschuss für die Ausrollung der seit Langem geforderten Gewaltambulanzen gegeben. Es werde mit einer Modellregion Ostsüd gestartet, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) im Anschluss an das Treffen. Diese umfasst die Bundesländer Steiermark und Kärnten sowie Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Davon erhofft man sich eine Steigerung der Verurteilungsquote im Fall von Gewalt und Missbrauch. In Graz gebe es bereits eine funktionierende Gewaltambulanz, aber noch nicht rund um die Uhr. Die Umbaumaßnahmen in Graz haben bereits begonnen. Sie starten auch in Wien, so die Ministerin.

Die Gewaltambulanzen sehen eine qualifizierte, kostenlose und verfahrensunabhängige Beweissicherung durch Experten aus der Gerichtsmedizin nach Fällen von Gewalt vor. Pro Modellregion soll es einen opfergerechten Untersuchungsraum an einem fixen Standort geben. „Frauen brauchen möglichst niederschwellige Orte, um sich in geschütztem Setting kostenlos zu untersuchen“, sagte Zadić. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) betonte, dass es auch mobile Teams geben werde, die bei Bedarf zu Betroffenen ausrücken könnten.

Gerade beim Thema Gewaltschutz sei es wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bundesländer nicht in die Planung eingebunden werden, kam auch aus Kärnten Kritik, unter anderen von Vize-LH, Sozialreferentin Gaby Schaunig sowie Frauen-Landesrätin Sara Schaar.

Zweite Ambulanz in Leoben

Das Land Steiermark nimmt unterdessen 1,6 Millionen Euro in die Hand, um 13 neue Übergangswohnungen in den steirischen Regionen einzurichten. Im ersten Halbjahr 2024 bekommt die Steiermark in Leoben zudem eine zweite Gewaltschutzambulanz.
Wie SPÖ-Landesrätin Doris Kampus ergänzt, wird mit Bundeshilfe der Grazer Standort „zeitlich und personell ausgebaut“. Sie begrüße „alle Initiativen, die dem Gewaltschutz dienen. Wegen der Größe brauchen wir in der Steiermark sicher eine zweite Gewaltschutzambulanz, die in Leoben angesiedelt sein wird.“ Simone Schmiedtbauer (ÖVP) würde sich freilich wünschen, wenn „der Bund die Steiermark beim Projekt in Leoben unterstützt.“

Westen wird folgen

Zadić versicherte, dass die Gewaltambulanzen 2024 zügig auch auf den Westen Österreichs ausgerollt werden sollen: „Innsbruck und Salzburg sind die nächste Phase der Pilotierung. Die Förderverträge müssen noch ausverhandelt werden.“ Zadić nannte am Mittwoch Zahlen, wonach jede dritte Frau in Österreich Opfer von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt werde. Sie verwies auf das Vorzeigebeispiel Belgien. Dort habe sich die Verurteilungsquote nach der Einführung von Gewaltambulanzen verdoppelt. Das Budget sei bereits ausverhandelt.

Im vergangenen Jahr seien bereits viele Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen gesetzt worden. „Trotzdem wurden heuer 26 Frauen im Alter von 19 bis 95 Jahren ermordet“, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Hinzu kämen heuer mehr als 14.000 verhängte Betretungs- und Annäherungsverbote.

Gewaltambulanzen mit folgenden Leistungen

  • Fach- und opfergerechte forensische Untersuchung: Verletzungen und Spuren von Gewalt werden so dokumentiert, dass sie bei einem möglichen späteren Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden können.
  • Verfahrensunabhängige und kostenlose Untersuchung für Gewaltbetroffene durch Vertreter der Gerichtsmedizin.
  • Opfergerechter Untersuchungsraum an mindestens einem fixen Standort pro Modellregion; ländliche Gebiete werden durch mobile Teams und Schulungen abgedeckt.
  • Zusammenarbeit mit Opferschutzeinrichtungen, um Frauen beim Ausstieg aus Gewaltbeziehungen zu helfen und so weitere Übergriffe zu verhindern.
  • Ansprechstelle für niedergelassene Ärzte und medizinisches Personal; so sollen Ärzte beim richtigen Erkennen und Dokumentieren von Gewalt unterstützt werden.
  • Organisatorische Anbindung an die Gerichtsmedizinischen Institute; damit wird erforderliche fachliche Expertise sichergestellt