Kurz nach ein Uhr nachts wirkte das Video-Setting noch gespenstischer, als die Teilnehmer am EU-Sondergipfel zu ihren Pressekonferenzen riefen. Ursula von der Leyen, Charles Michel, Emmanuel Macron und wer immer sich noch bemüßigt fühlte, verkündete die Erfolge der Verhandlungsnacht vor stummen Sesselgalerien. In der Tat, es ist etwas weitergegangen an diesem außenpolitischen Sondergipfel.

Zypern konnte, womit auch immer, überredet werden, seine Blockadehaltung bei den Belarus-Sanktionen aufzugeben. Schon gestern Nachmittag war es dann amtlich; es gibt Sanktionen gegen 40 Belarussen, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen oder der gewaltsamen Niederschlagung von friedlichen Protesten vorgeworfen wird. Staatschef Alexander Lukaschenko ist nicht dabei; so will man sich Hintertürchen für diplomatische Lösungen offen lassen. Im selben Atemzug erneuert die EU die Drohungen gegen die Türkei: Man werde „alle zur Verfügung stehenden Instrumente“ nutzen, sollte sie neuerlich einseitig die Bemühungen einer gedeihlichen Lösung torpedieren.

Schließlich brachte der Gipfel auch noch eine klare Botschaft an Wladimir Putin zustande. „Der Gebrauch einer chemischen Waffe stellt einen ernst zu nehmenden Bruch internationalen Rechts dar“, heißt es in der Schlusserklärung. Der Fall Nawalny wird Thema des nächsten EU-Gipfels in zwei Wochen. Da wird es auch um den Brexit gehen – heute redet Kommissionschefin Ursula von der Leyen Boris Johnson per Video noch einmal ins Gewissen. Um die Beziehungen zu China konnte man sich nicht wirklich kümmern, ihnen ist nun ein China-Gipfel im November gewidmet. Dafür gingen sich Beschlüsse zum Binnenmarkt und zur strategischen Autonomie Europas aus.

Kanzler Sebastian Kurz berichtete über ein Thema, das eigentlich nicht geplant war und dem die Staats- und Regierungschefs doch „80 Prozent ihrer Zeit widmen“: Europa will nun doch die Corona-Reiseregeln besser abstimmen. Man solle der EU an sich da nicht zu viel zumuten: „Die Mitgliedsstaaten sind selbst zuständig.“ Eine wichtige Erkenntnis der Länder, die sich wegen der chaotischen Bedingungen bisher gerne auf Brüssel beriefen.