So viel Lob muss man einmal aushalten können. Ursula von der Leyen ging großzügig damit um: Das österreichische Modell solle in der EU Schule machen, nicht mehr und nicht weniger wünschte sich die neue Kommissionspräsidentin und meinte damit nicht nur das nach Geschlechtern ausbalancierte Regierungsteam – eines ihrer Lieblingsthemen –, sondern auch den Zugang zu Migrationsfragen und natürlich die Klimapolitik. Bis 2040 will die Alpenrepublik klimaneutral sein, das sei „beeindruckend“, fand die Präsidentin, die auf der EU-Ebene für ihren „neuen grünen Deal“ wirbt. Zu Beginn des Antrittsbesuchs von Sebastian Kurz in Brüssel hatte es einen betont herzlichen Empfang gegeben, mit Wangenküsschen. Man kennt sich; er habe, sagte der Kanzler später, Ursula von der Leyen schon als Außenminister immer wieder getroffen, als sie selbst noch Verteidigungsministerin in Deutschland war. Beide gehören auch zur EVP-Parteienfamilie.

Dabei hatte der Tag für Sebastian Kurz schon interessant begonnen, im Flieger von Wien nach Brüssel traf er auf Budgetkommissar Johannes Hahn. Man saß nebeneinander und dürfte sich wohl auch über eines der zentralen Themen unterhalten haben, den mehrjährigen Finanzrahmen. In Brüssel erneuerte Kurz dann seine Ansicht, die EU sollte zuerst einmal schauen, wo man Mittel einsparen könne (etwa in der Verwaltung, aber auch in der Regionalförderung) und dann die Finanzierungsfrage stellen.

Bei den Prioritäten hat sich indessen etwas verschoben, Migration kommt erst an zweiter Stelle, vorweg betonte Kurz die Wichtigkeit, in der EU die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, freilich im Einklang mit den Klimazielen. Neuerlich sprach er vom „Umgang mit der Schöpfung“ und davon, dass mit dem Ausstieg aus den Kohlekraftwerken und dem milliardenschweren Übergangsfonds, dessen erste Details morgen präsentiert werden, nicht gleichzeitig die Atomkraft gefördert werden solle.

Hohe Glaubwürdigkeit im Osten

Damit riss er eines der zentralen Themen an, das vermutlich auch diesen Donnerstag in Prag zur Sprache kommt: Sebastian Kurz trifft sich mit den aufmüpfigen Visegrád-Staaten und versucht sich dort einmal mehr als „Brückenbauer“ – eine Rolle, die ihm auch von der Präsidentin zugedacht ist. Österreich, sagte sie, habe beim Klima und auch beim Migrationsthema eine große Glaubwürdigkeit bei den östlichen EU-Partnerländern. Noch in diesem Quartal will die Kommission ein neues Migrationskonzept präsentieren.

Nach von der Leyen traf Sebastian Kurz auch noch Brexit-Chefverhandler Michel Barnier, ein Gespräch mit Ratspräsident Charles Michel wurde verschoben, dieser musste zu Krisensitzungen nach Kairo. Beim abschließenden Pressegespräch herrschte großer Andrang, fast alle deutschen Medien wollten hören, was Österreichs alter, neuer Kanzler zu sagen hat – der Polit-Star hat die europäische Bühne wieder betreten.