Er war der letzte der ausständigen Kandidaten: Der Ungar Olivér Várhelyi, Ersatzmann für László Trócsányi – dieser war über Interessenskonflikte gestolpert – hat nun doch die letzte Hürde auf dem Weg in die EU-Kommission genommen. Beim Hearing vergangene Woche war ihm im zuständigen Ausschuss nicht einmal eine einfache Mehrheit gewogen, Várhelyi musste „nachsitzen“ und übers Wochenende fünf wichtige Fragen schriftlich beantworten. Es ging dabei etwa darum, wie sehr er sich auf seinem der Neutralität verpflichteten Posten seiner politischen Heimat, der Fidesz-Partei von Viktor Orbán, verpflichtet fühlt.

Da Várhelyi, bisher EU-Botschafter Ungarns in Brüssel, von Österreichs Kommissar Johannes Hahn das Erweiterungsressort erbt, ging es bei den Fragen auch um seine Position gegenüber Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit und um die Höhe der Vorbeitrittshilfen für den Westbalkan und die Türkei; Ungarn gilt als Land, das der Türkei besonders gewogen ist.

Offensichtlich konnte der Kandidat die Bedenken zerstreuen. Österreichische Abgeordnete äußerten sich dennoch kritisch. SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder erwartet sich „mehr als ein Bekenntnis zur EU“: Várhelyi müsse als Kommissar rasch dazu beitragen, den schweren Fehler in Bezug auf den verpassten Beginn der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien zu korrigieren. Lukas Mandl (ÖVP) will ihm „genau auf die Finger“ schauen, Monika Vana (Grüne) will ebenso wie Claudia Gamon (Neos) den Erweiterungskommissar an seinen Taten messen. FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky hatte zuvor schon die Hoffnung auf eine „vernünftige Stimme in der EU-Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik“ geäußert.

Nun steht einem Start der Kommission mit 1. Dezember im Grunde nichts mehr im Weg, wenn sie kommende Woche vom EU-Parlament bestätigt wird. Die Briten haben angesichts des Brexit keinen Kandidaten mehr nominiert, gegen sie läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren, auf das sie bis Freitag reagieren können. Es gilt als wahrscheinlich, dass die neue Kommission auch dann ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn der britische Sessel leerbleibt.