Die Zeit drängt, Brüssel muss den Sack bald zumachen. Brexit und andere Kalamitäten haben dazu geführt, dass die Vorbereitungen für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 weit hinter Plan sind. Ein schweres Erbe, das Österreichs Kommissar Johannes Hahn von seinem Vorgänger Günther Oettinger zu übernehmen hat. Oettinger hat seine Pläne vor eineinhalb Jahren schon präsentiert: Er schlägt ein Gesamtbudget von 1278 Milliarden Euro für die sieben Jahre vor, der Beitrag der Mitgliedsländer soll von derzeit 1,0 % der durchgerechneten Wirtschaftsleistung auf 1,114 % steigen – schließlich gelte es, die entfallenden Beiträge der Briten zu kompensieren sowie eine Reihe neuer Aufgaben wie Migration, Außengrenzschutz oder stärkere Förderung für Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Laut gestern präsentierten Zahlen würde das Österreich etwa 600 bis 800 Millionen Euro jährlich kosten.

Osteuropa protestiert

In Prag kamen indes die Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei zusammen, um das EU-Budget zu beraten. Sie haben die Kürzungen im Agrarbudget einstimmig kritisiert. Viktor Orban: "Das ist ein ungerechter Vorschlag." Die EU setze den Zusammenhalt aufs Spiel. Es sei "unfair, den Ärmeren Mittel wegzunehmen, um die Reicheren noch reicher zu machen."

Zahlreiche westeuropäische Regierungschef hatten sich indes dafür ausgesprochen, die Auszahlung der EU-Gelder insbesondere an osteuropäische Staaten von der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards und der Kooperation in der Flüchtlingsfrage abhängig zu machen.

Österreich will nicht mehr zahlen

Österreich hat schon während der Ratspräsidentschaft klargemacht, keinesfalls mehr in den EU-Topf einzahlen zu wollen als bisher, zumal durch die erfreulich steigende Wirtschaftsleistung ohnehin jährlich höhere Summen fließen. So stieg unser Nettobeitrag im Jahr 2018 von 933,1 Millionen Euro (2017) auf 1,34 Milliarden Euro. Auch die amtierende Regierung hält an dieser Position fest und ist damit Teil einer Allianz mit anderen Nettozahlern wie Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Schweden. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl geht einen Schritt weiter und will eine „deutliche Reduzierung“ des Beitrags. Eine nach dem Brexit kleinere EU könne nicht höhere Beiträge bedeuten, so sein Argument. Und er schießt gleich nach: „Österreich kann es sich nicht leisten, Brüsseler Tintenburgen zu finanzieren, in denen über den Bräunungsgrad von Pommes frites entschieden wird.“

Karas auf Gegenkurs

Ganz anders sieht das der langjährige EU-Abgeordnete und nun Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP). Karas verlangt „projektorientiertes Denken“, die Leute sollten wissen, wofür das Geld gebraucht wird und was mit welchem Ziel gemacht werde: „Jeder Euro mehr in die Europäische Union ist ein Investment mit einer hohen Rendite.“ Christoph Leitl, soeben als Eurochambres-Präsident bestätigt, wünscht sich EU-Mittel für „Zukunftsaufgaben“, konkret Forschung und Entwicklung. Er plädiert für zusätzliche Eigenmittel: Einnahmen durch neue Steuern auf OECD-Ebene.

Österreich profitierte bisher überdurchschnittlich vom EU-Agrarbudget (1,24 Milliarden Euro 2018), zweitstärkster Posten: 444,4 Millionen Euro zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Kommission will nun den Anteil für die Agrarpolitik ebenso wie die Mittel für Zusammenhalt (Entwicklung, Kohäsion, Soziales) von 0,41 bzw. 0,39 % auf etwa 0,33 senken. 25 % des nächsten Haushalts (320 Milliarden Euro) sollen allein für Klimaschutz und Umwelt ausgegeben werden. Kritikern hält die Kommission entgegen, dass die vorgeschlagenen 1,114 %, die auch die 0,03 % des europäischen Entwicklungsfonds enthalten, den Finanzrahmen ohnehin schrumpfen lassen würden: Bliebe das Budget gleich hoch wie in der jetzigen Periode, fielen pro Land (ohne Großbritannien) 1,16 % der Wirtschaftsleistung an.