Nur ein Fall von vielen: Am 18. April vergangenen Jahres entdeckte ein Frontex-Aufklärungsflugzeug ein Schlauchboot in griechischen Hoheitsgewässern. Das leere Schlauchboot wurde von einem Schiff der griechischen Küstenwache in Richtung türkische Gewässer gezogen, an Bord des Schiffes befanden sich 20 bis 30 Menschen - die vermutlich davor schon auf dem Schlauboot gewesen waren. Bei Erreichen der griechisch-türkischen Grenze habe die Küstenwache diese Menschen zurück aufs Schlauchboot gesetzt. Dann sei das Schiff abgedreht.

"Auf dem Fotomaterial, das von dem Frontex-Aufklärungsflugzeug gemacht wurde, ist kein Motor an dem Schlauchboot zu sehen, während es von dem griechischen Küstenwachen-Schiff gezogen wird“, heißt es in einem internen Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der nun bekannt wurde. Frontex steht seit Monaten heftig in der Kritik, weil griechische Grenzschützer Medienberichten zufolge mehrfach Boote mit Migranten illegal zurück in Richtung Türkei getrieben haben; dies wird allgemein als Pushback bezeichnet – und ist illegal. Frontex-Beamte sollen dabei teils in der Nähe gewesen sein und dies nicht verhindert haben. Mehrere EU-Stellen untersuchen die Vorwürfe.

Der im eigenen Haus erstellte Bericht zeigt: Die umstrittene Agentur selbst ist vorerst nicht imstande, die Vorwürfe, die seit geraumer Zeit gegen sie erhoben werden, tatsächlich zu entkräften. Unter anderem verweist Frontex darauf, dass bei jedem Vorfall das Verhalten der Migranten, der Schlepper und der jeweiligen Küstenwache berücksichtigt werden müsse, jede Situation sei anders zu bewerten. Deshalb sei es oft schwierig, "im Nachhinein jeden Vorfall zu rekonstruieren". Wie berichtet, hat dafür diese Woche eine eigene Untersuchungsgruppe des EU-Parlaments ihre Arbeit aufgenommen, sie soll bis Juli einen umfassenden Bericht zur Einschätzung der Lage verfassen. Immer wieder wird Frontex-Chef Fabrice Leggeri vom Parlament vorgeladen, so etwa vor zwei Tagen, am Donnerstagn vom zuständigen LIBE-Ausschuss. Leggeri verweist in erster Linie darauf, dass infolge der Mandatsstärkung in kurzer Zeit alles noch im Aufbau sei. So sollen demnächst die ersten 15 von insgesamt 40 Grundrechtebeobachtern ihren Dienst antreten, sie seien aber noch in Ausbildung. An sich hätten diese Beobachter bereits ab 5. Dezember im Einsatz sein sollen.

Parlament will klare Antworten

In dem nun vorliegenden Eigenbericht wurde in acht von 13 Fällen kein Fehlverhalten entdeckt, die fünf anderen Fälle sind noch in der Untersuchungsphase. Parlaments-Vizepräsidentin Roberta Metsola (EVP), Leiterin der Taskforce, sagte gestern vor Journalisten, man bestehe in allen Fragen auf klare Antworten, es gehe hier auch grundsätzlich um die Rolle der EU beim Schutz der Außengrenzen. Man wolle nicht am Status von Frontex rütteln, aber sicherstellen, dass ordentlich gearbeitet werde; auch angesichts des im vergangenen Herbst von der EU-Kommission vorgestellten neuen „Migrationspakts“. „Ich hoffe“, so Metsola, „der Prozess führt zu einer Reihe von Empfehlungen, um Klarheit zu schaffen.“ Das betreffe unter anderem auch das Aufeinandertreffen von EU-Recht, der Rechtslage in den Mitgliedsländern und internationalem Recht, hier gäbe es eine Grauzone.

Die Taskforce will nun an der Aufklärung der Vorwürfe arbeiten und sich im Frontex-Hauptquartier in Warschau nicht nur mit der Führungsebene treffen, sondern auch Gespräche mit den einzelnen Abteilungen führen. An der Diskussion darüber, ob Frontex-Chef Leggeri seinen Job korrekt ausführt, möchte sich Metsola nicht beteiligen, hier gelte es, die Untersuchung abzuwarten. Eines ist ihr wichtig: „Worauf wir derzeit zu wenig achten, ist die Anerkennung der Leute, die für Frontex arbeiten.“ Man dürfe über all den Problemen nicht übersehen, den Fokus auf die Mitarbeiter zu lenken, die unter sehr schwierigen Bedingungen im Einsatz sind.