Das US-Banner hängt haushoch vor Ron DeSantis, der ein- und dieselbe Rede fast jeden Tag an einem anderen Ort hält. Der volle Saal – an diesen Abend im sonst eher faden Spartanburg in South Carolina – jubelt. Es fühlt sich an wie Wahlkampf. Ist es auch. Doch das will DeSantis, die große Hoffnung vieler Konservativer, nicht öffentlich sagen. Noch nicht.

An der Oberfläche ist eigentlich alles recht einfach: Da ist dieser junge, beliebte 44-jährige Gouverneur Floridas, dessen libertäre und immer wieder auch rechtspopulistische Ansätze ihm im November eine Rekordwiederwahl im sonst umkämpften Staat bescherten. Ihn zeichnet die politische DNA von Donald Trump aus, aber nicht dessen Ballast und Bürde. Das alles mit Bilderbuchkarriere, Militärvergangenheit und einer Familie wie aus einem KI-Generator.

Kronprinz Trumps

DeSantis ist für viele Kronprinz Trumps – und eine echte Gefahr für den alten demokratischen Präsidenten Joe Biden, der bei der Wahl 2024 wieder antritt. Doch der Weg ist weit. Und wurde zuletzt noch beschwerlicher, als sein Momentum schwächelte und Trump in Umfragen aufdrehte. Trump tritt 2024 wieder an und sieht DeSantis, der auch durch Trumps Unterstützung Gouverneur wurde, als größten und vielleicht einzigen ernstzunehmenden innerparteilichen Konkurrenten.

Trump ging zum Angriff über, gab DeSantis böse Spitznamen und verbreitete Vorwürfe, die ihn indirekt in die Nähe von Sex mit Minderjährigen rückten. DeSantis hielt sich wie mit seiner erwarteten Präsidentschaftsbewerbung bisher bedeckt. Keine Schlammschlacht mit Trump und seinen Millionen Fans, auf die er bei einer Wahl angewiesen wäre. Es überrascht daher wenig, dass der Name "Trump" in Spartanburg nicht über DeSantis' Lippen kommt. Und anders als der abgewählte US-Präsident bleibt er bei der Sache und schweift auch nicht in Lästereien über andere ab.

Die Bedrohung: Eliten, Medien, "Black Lives Matter", gendergerechte Politik, Kommunismus ...

Nach der überschwänglichen Begrüßung durch Hunderte Besucher – viele weitere mussten in einen Reserveraum ausweichen – singt DeSantis eine halbstündige Ode auf sich selbst und seine Erfolge: die Beschränkung von Abtreibungen, das Vorgehen gegen Migrantinnen und Migranten und jene, die "linke Ideologie" verbreiteten, die frühe Abschaffung von Covid-19-Beschränkungen. Der "Virus", gegen den Ronald Dion DeSantis im US-Kulturkampf ernsthaft ins Feld zieht, sei die Wokeness der selbstgefällig politisch Korrekten.

DeSantis – selbst Absolvent der Havard Law School – zeichnet das von Trump gewohnte Weltbild klassischer Gegensätze. Die Bedrohung: Eliten, Medien, "Black Lives Matter", gendergerechte Politik, Kommunismus, der liberale Investor George Soros. Die Lösung: Kapitalismus, harte, ehrliche Arbeit, die traditionelle Familie, Polizisten. Stärke und Freiheit.

Von Trump versucht DeSantis, sich indirekt abzusetzen – im Moment auch auf einer Auslandstour, in der er seine staatsmännische Größe zeigen will. Eine der zündenden Anekdoten auf seiner US-Tour ist die einer eingestürzten Brücke in Florida, die wegen DeSantis' Führung in nur wenigen Tagen wieder aufgebaut wurde. "Ich bin bereit, dieses Team zur südlichen Grenze zu schicken, um die Grenzmauer zu bauen", ruft er unter Triumphgebrüll. Und erinnert nebenbei daran, wo Trump scheiterte, er als Präsident aber keine Niederlage dulden würde.

Politik der Provokation

Was DeSantis als Gouverneur tut, wird regelmäßig Thema und Aufreger. Bisheriger Höhepunkt der PR-Stunts dürfte gewesen sein, als er ein Flugzeug charterte, um Migranten von Texas aus als Provokation auf die liberale Insel Martha's Vineyard zu bringen. Bei solchen Aktionen geraten auch überparteilich populäre Vorhaben wie der ausgeweitete Schutz der Wildtierreservate und Gehaltserhöhungen für Lehrkräfte in den Hintergrund.

Während DeSantis auf der Bühne steht und DeSantis lobt, wird deutlich, dass er an seinem überschaubaren Charisma gearbeitet hat. Er tritt auf wie ein maskuliner Macher, der niemals nachgibt. Doch ihm fällt es schwer, das Publikum einzubeziehen, zum Teil seiner Bewegung zu machen. Das Rezept gegen DeSantis' spröde Natur ist für diesen Abend seine Frau Casey, die der Republikaner mit einem scheuen Küsschen auf die Wange begrüßt. Als frühere TV-Moderatorin fällt es ihr leicht, den Raum mit Witzen über ihre chaotischen Kinder zum Lachen zu bringen und von ihrem Mann zu schwärmen.

Ihm fällt das schwerer. DeSantis wartet in dem Gespräch – das die beiden auf DeSantis' Buchtour zum Vorbildstaat Florida nicht zum ersten Mal führen – eher auf seinen Einsatz. Dann spult er sein Programm ab, als wäre er noch allein auf dem Podium. Die Besucher im wichtigen Vorwahlstaat South Carolina scheinen trotzdem zufrieden.

"Trump ist einfach ein bisschen viel"

Die meisten hier sagen, dass sie für Trump gestimmt haben, der aber mittlerweile zu viel Getöse mache, zu hitzköpfig sei: nicht mehr wählbar. Sie wollen einen Trump, der nicht ist wie Trump: DeSantis eben. "Ich liebe ihn einfach", sagt eine junge Frau, deren Hose aus einer US-Flagge besteht. Und: "Trump ist einfach ein bisschen viel."

Doch die Stimmung im Saal ist nicht die im ganzen Land: Trump konnte zuletzt offenbar politisches Kapital aus der mannigfaltigen Strafverfolgung gegen sich schlagen und gewann an Beliebtheit. Wenn DeSantis nicht doch zurückzieht, muss man davon ausgehen, dass Trump eher die Republikanische Partei implodieren lassen würde, als einem Burgfrieden unter Führung des 44-Jährigen zuzustimmen.

Zwischenmenschliche Schwäche

In Spartanburg hat DeSantis den offiziellen Teil geschafft. Er geht rechts von der Bühne und sucht das Bad in der Menge. Nicht seine Disziplin. Mit einem Stift in der Hand drängelt er sich von Buch zu Buch und gibt Autogramme, macht aber kaum Augenkontakt, Smalltalk oder Selfies – da fehlt was. Casey DeSantis dagegen schwebt auf die andere Seite des Raums, parliert angeregt und lächelt einladend, als würde sie alten Freundinnen zuhören.

Das Zwischenmenschliche ist die Schwäche DeSantis', die ihm beim Schattenboxen mit Trump zum Verhängnis werden könnte. Der Ex-Präsident brüskierte DeSantis kürzlich damit, dass einige einflussreiche Republikaner ausgerechnet in Florida ihre öffentliche Unterstützung für ihn bekundeten. Dem Medium "Politico" sagte der Kongressabgeordnete Greg Steube, er habe sich von DeSantis ignoriert gefühlt. Zudem habe sich der Gouverneur nach einem Unfall nicht nach Steubes Wohlbefinden erkundet. Das Telefon habe trotzdem geklingelt: Dran war Donald Trump.