Die Verwandlung passierte schon viel früher, aber sie zeigte sich zunächst nicht. Die Manieren bleiben intakt für eine Zeit, nachdem die Moral zerbricht“, analysierte F. Scott Fitzgerald in seinem letzten großen Roman „Zärtlich ist die Nacht“, wo er den langsamen physischen und moralischen Niedergang seines Alter Egos Richard Diver, eines Alkoholikers, beschreibt. Divers physischer Verfall wird lange nicht bemerkbar bis zu dem Zeitpunkt, wo er es vor versammelter Gesellschaft während einer Party nicht mehr schafft, einen Kopfstand zu vollenden. Danach dämmert es jedem unter den Gästen, dass Diver am Ende ist. Erst die Retrospektive schafft analytische Klarheit.

Die Verwandlung der Republikanischen Partei, die diese Woche zur ihrem Parteitag in Charlotte (North Carolina) zusammentritt, um Donald Trump für eine weitere Amtszeit als Präsident zu nominieren, ist ebenfalls erst im Nachhinein feststellbar. Zu lange blieben die Manieren, beziehungsweise das äußere Bild, intakt. Erst 2016, als Trump die Partei übernahm, war offensichtlich, dass die alte Partei, die Grand Old Party (GOP), am Ende ist – freilich ohne körperliche Akrobatik als Indiz.

Begonnen hatte alles aber schon im September 2008, als Sarah Palin, die damalige Gouverneurin von Alaska, zur Vizekandidatin neben dem Präsidentschaftskandidaten John McCain nominiert wurde. Eine schwerwiegende Richtungsentscheidung: Wie Trump heute, verspottete sie damals relativ bald die intellektuelle Elite der Partei, feindete die Medien an, wetterte gegen die Washingtoner Bürokratie und etablierte Unbildung als Tugend unter Wählern.

McCain, Sinnbild des ehrwürdigen Republikaners alter Schule, der 2008 seinen Kontrahenten Barack Obama im Wahlkampf gegen rassistische Attacken verteidigte, sowie Bill Kristol, Redakteur des mittlerweile eingestellten „Weekly Standard“, des intellektuellen Flaggschiffs der republikanischen Elite, gelten als Erfinder Palins. Beide glaubten, sie kontrollieren zu können.

Palins Populismus

Bald war aber klar, dass Palin mit ihren erzreligiösen, nationalistischen, verschwörungstheoretischen und teils rassistischen Attacken gegen die Demokraten wie auch gegen die parteiübergreifende Elite in Washington bei den Wählern punkten konnte. Der alte republikanische Konsens von niedrigen Steuern, freier Marktwirtschaft und begrenzten Staatsausgaben war passé. McCain und Kristol, das war die Vergangenheit; Palins Populismus die Zukunft. In diesem Sinne ist die republikanische Parteielite für den Wandel großteils selbst verantwortlich.

Trump erntete 2015 und 2016 politisch nur, was Palin bereits 2008 säte – wie Trump war auch sie übrigens Star ihrer eigenen Reality-TV-Show. Natürlich kann man noch viel weiter in die Vergangenheit zurückgehen, um den Niedergang der alten Republikanischen Partei zu erklären. Ronald Reagan und George W. Bush trugen jeweils mit ihrer Anti-Regierungspolitik sowie einer verpatzten Außenpolitik dazu bei.

Kulturkampf

Es ist auch nicht ersichtlich, ob die wirtschaftliche Agenda der Elite je mehrheitsfähig war und ob die Wähler nicht immer schon den Republikanern für eine Wahlkampfagenda ihre Stimme gaben, die sich erst Palin und Trump laut zu artikulieren trauten und die dadurch paradoxerweise ehrlicher wirkten. Dominiert wird diese Agenda vom Kulturkampf und nicht von der Wirtschaftspolitik. Der Schwerpunkt: Es gilt, die großteils „ländlichen“ und „weißen“ Werte Amerikas (traditionelle Familienstrukturen, Religion und Individualismus – sprich: Waffenrechte) gegen das angebliche Diktat der liberalen Elite (Atheismus, politische Korrektheit, Neomarxismus) zu verteidigen.

Diesem Kulturkampf ordnete sich nach und nach die gesamte Partei unter. Opposition in der Partei gibt es bis auf eine lautstarke, nicht wahlentscheidende elitäre Minderheit keine. Dieser Kampf wird wohl auch fortgeführt werden, nachdem Trump die Partei verlassen hat oder abgewählt sein wird. Aus dem einfachen Grund, weil er rechte Wählerinnen und Wähler mobilisiert. Gegenmaßnahmen der Elite werden da wenig helfen. So wurde Palin bereits 2008 von Parteiführern ins politische Abseits gedrängt. Das stärkte aber nur ihre politische Anziehungskraft.

Sein Erbe

Nach einer Niederlage im Herbst könnte Trump sich sehr wohl von der Tagespolitik verabschieden. Viele seiner Verbündeten könnten sich auch offen gegen ihn wenden. Eines ist aber klar: Die Trump’sche Kulturkampfpolitik, gepaart mit nationalistischem Populismus, wird weiterhin die Partei dominieren. Nikki Haley, die ehemalige UN-Botschafterin, sowie Senator Tom Cotton, Falke und Nationalist, bemühen sich bereits jetzt um dieses Erbe.

Partei kämpft ums Überleben

„Wir befinden uns in einem Überlebenskampf um unsere Nation und Zivilisation“ – so beschreibt Trump, was im November auf dem Spiel steht. Eine ähnlich düstere Rhetorik ist in den kommenden Tagen zu erwarten. In Wirklichkeit befindet sich aber vor allem die Republikanische Partei in einem Kampf ums Überleben. Ihre weißen Stammwähler altern. Es gelingt nicht, neue Unterstützer unter den Jungen und den Minderheiten in größerem Ausmaß zu mobilisieren. Die einzige Strategie ist also der polarisierende Kulturkampf, gepaart mit altbekannten Methoden („Voter Suppression“ – Wählerunterdrückung) sowie Versuchen, die Demokraten zu Überreaktionen zu provozieren.

In diesem Sinne sollte man sich während des Parteitages auf gezielte Affronts gefasst machen. Die Liste an Rednerinnen und Rednern spricht dafür. Demokratische Überreaktionen sind vorprogrammiert, die nur Trump wieder in die Hände spielen werden. Die Basis steht umso geschlossener hinter dem Präsidenten, je polarisierter es wird. Ob die amerikanische Demokratie diese Art von „Manieren“ langfristig aushalten wird, sei dahingestellt.