Staatschef Alexander Lukaschenko hat nach tagelangen Massenprotesten in Weißrussland (Belarus) Verfassungsänderungen vorgeschlagen, die zu Neuwahlen führen könnten. "Wir brauchen eine neue Verfassung", sagte Lukaschenko dem weißrussischen Staatsfernsehen zufolge, das einen entsprechenden Ausschnitt am Montag zeigte. "Dazu müssen wir aber ein Referendum abhalten."

Erst mit einer neuen Verfassung könnte es, falls gewünscht, neue Abstimmungen für den Posten des Präsidenten, des Parlaments und andere wichtige Ämter geben, so Lukaschenko. Bisher hatte sich Lukaschenko strikt gegen Neuwahlen ausgesprochen. Es sei bereit einen Kompromiss zu finden, aber nicht unter dem Druck von Protesten. Auch die Wahlkommission betonte abermals, dass sie keine Grundlage für eine Neuauszählung der Abstimmung sehe.

Tausende Menschen gehen auf die Straße

Am Montagabend gingen erneut tausende Menschen gegen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko auf die Straße.  Immer wieder forderten sie Lukaschenko mit dem Sprechchor "Hau' ab" zum Rücktritt auf.

Vor einer Haftanstalt in Minsk forderten die Demonstranten die Freilassung politischer Gefangener und riefen die Namen von Inhaftierten. Zudem demonstrierten sie ihre Unterstützung für den im Laufe des Tages entlassenen Theaterchef Pawel Latuschko. Der Ex-Kulturminister hatte zuvor Neuwahlen gefordert. Medienberichten zufolge verließen nach seiner Entlassung mehrere Mitglieder aus Solidarität das Theaterensemble.

Schon im Laufe des Montags hatte es im ganzen Land Protestaktionen gegen Lukaschenko gegeben, vielerorts wurde gestreikt. Beim Besuch einer staatlichen Fabrik wurde der Machthaber von Arbeitern niedergeschrien. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja erklärte indes aus dem Exil ihre Bereitschaft, die Führung des Landes zu übernehmen.

OSZE bietet Hilfe an

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bot der Regierung in Belarus nach eigenen Angaben Vermittlung in dem Konflikt an, um einen "offenen und konstruktiven Dialog" zu starten. Der amtierende OSZE-Präsident und Regierungschef von Albanien, Edi Rama könne bei einem Besuch Lukaschenko und Vertreter der Opposition treffen, hieß es auf der Webseite der Organisation.

Bei der Präsidentschaftswahl vor gut einer Woche war der seit 26 Jahren autoritär regierende Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit rund 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug, auch in der EU bestehen erhebliche Zweifel an dem Ergebnis.

Seit der Verkündung des offiziellen Ergebnisses finden in ganz Belarus Massenproteste statt. Auf Aufruf der Opposition gab es am Sonntag die größte Demonstration in der Geschichte des Landes mit mehr als hunderttausend Teilnehmern. Die EU berief wegen Belarus für Mittwoch einen Video-Sondergipfel ein.

EU-Sondergipfel angesetzt

EU-Ratschef Charles Michel warnte vor einer Intervention von außen. "Es sollte keine Einmischung von außen geben", schrieb der Belgier am Montag in seiner Einladung für den kurzfristig angesetzten EU-Videogipfel. Die Menschen in Weißrussland hätten das Recht, selbst über ihre Zukunft zu bestimmen. Dazu müsse die Gewalt enden und ein friedlicher, inklusiver Dialog gestartet werden. Auf dieser Grundlage werde man beim Gipfel beraten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dankte indes Litauen für die Aufnahme der Oppositionskandidatin Tichanowskaja. Merkel habe am Montag mit Präsident Gitanas Nauseda telefoniert und die Situation in Belarus besprochen, teilte die litauische Präsidentschaft am Abend mit. Zudem kündigte Merkel den Angaben zufolge an, am Dienstagvormittag mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonieren zu wollen. Berlin versuche außerdem derzeit, zu (dem belarussischen Präsidenten) Alexander Lukaschenko durchzudringen.