Die in den Bürgerkrieg in Libyen verwickelten Staaten haben sich auf einen internationalen Mechanismus zur Beilegung des Konflikts und umfassende Schritte für eine politische Lösung geeinigt. Die Teilnehmer des Berliner Libyen-Gipfels verpflichteten sich am Sonntag zur Einhaltung eines UNO-Waffenembargos und zu einem Ende der militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien.

"Wir können feststellen, dass alle einig sind, dass wir das Waffenembargo respektieren wollen", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die zu der Konferenz eingeladen hatte, am Sonntagabend. Übereinstimmung bestehe auch darin, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt gebe und solche Versuche das Leid der Menschen nur vergrößern würden. Merkel sprach von einem neuen politischen Anlauf und einem Impuls zur Unterstützung der Bemühungen der Vereinten Nationen in dem Bürgerkriegsland.

Wie es in einer Erklärung von 16 Staaten und Organisationen hieß, sollen internationale Anstrengungen zur Überwachung des Embargos verstärkt werden. Verletzungen eines Waffenstillstandes sollen sanktioniert werden. Gefordert wird auch eine umfassende Demobilisierung und Entwaffnung der Milizen. Wie Merkel nach den rund vierstündigen Verhandlungen mitteilte, habe es zudem die Zusage gegen, dass es "keine weitere Unterstützungsleistungen" für die libyschen Konfliktparteien geben solle.

Das Abschlusspapier formuliert einen neuen politischen Prozess, der eine Stärkung der zentralen Institutionen zum Ziel hat und auf eine Rückkehr zum politischen Prozess unter Führung der Vereinten Nationen abzielt. Eine Reform des Sicherheitssektors müsse das Gewaltmonopol des Staates wieder herstellen, heißt es darin. Gefordert wird die Respektierung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte. Wer für Angriffe auf Zivilisten und bewohnte Gebiete, Entführungen, außergerichtliche Tötungen und sexuelle Gewalt, Folter und Menschenschmuggel verantwortlich sei, müsse zur Verantwortung gezogen werden. Die Konferenz fordert auch eine transparente und gerechte Verteilung der Öleinnahmen in dem Land.

Hochrangige Teilnehmer

Die Konferenz begann am Sonntagmittag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen im deutschen Kanzleramt. Teilnehmer waren unter anderem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas trafen vor Beginn der Konferenz die Vertreter der beiden Kriegsparteien in Libyen, Ministerpräsident Fayez al-Sarraj und den abtrünnigen General Khalifa Haftar, der die Regierung in Tripolis stürzen will. Er wird von einer Art Gegenregierung in Tobruk im Osten des Landes unterstützt.

Merkel will mit der Konferenz, an der Vertreter von insgesamt elf Ländern teilnehmen, die im libyschen Bürgerkrieg aktiven Staaten dazu bringen, ihre Einmischung zu beenden. Grund ist die Sorge, dass sich in Libyen ähnlich wie in Syrien ein Stellvertreterkrieg entwickelt. Vertreten sind auch die EU, die Afrikanische Union und die Arabische Liga. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der eine EU-Militärmission für Libyen zur Überwachung eines Waffenstillstands angeregt hatte, forderte, dass die Europäer für jede mögliche Hilfe vorbereitet sein müssten. Vor Beginn des Gipfels gab es zahlreiche bilaterale Treffen von Teilnehmern. So beriet Merkel unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Macron forderte das sofortige Ende der Präsenz ausländischer Kämpfer in Libyen, wie aus seinem Redetext für die Konferenz hervorgeht. Der Konflikt werde dadurch nur befeuert. Die Vereinten Nationen sollten eine Waffenruhe in Libyen verhandeln, ohne den gegnerischen Parteien Bedingungen zu stellen.

Keine militärische Lösung möglich

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hob die Wichtigkeit eines politischen Prozesses für das Bürgerkriegsland Libyen hervor. "Ich bin der festen Überzeugung, dass es in Libyen keine militärische Lösung gibt", sagte Guterres nach Angaben der Vereinten Nationen bei seiner Ansprache auf der Libyen-Konferenz. Eine weitere Verschärfung des Krieges müsse verhindert werden, damit der Konflikt nicht in einem "humanitären Albtraum" ende und das Land nicht dauerhaft spalte. Dafür müssten auch die "unverhohlenen" Verstöße gegen das geltende UNO-Waffenembargo aufhören.

Eine zentrale Rolle hatten in den vergangenen Tagen Russland und die Türkei gespielt, die unterschiedliche Seiten im Bürgerkrieg unterstützen. Erdogan und Putin berieten unmittelbar vor der Konferenz miteinander. Im Entwurf der Abschlusserklärung werden die russisch-türkischen Bemühungen um einen Waffenstillstand begrüßt, die vor wenigen Tagen in Moskau gescheitert waren. "Wir fordern alle betroffenen Parteien auf, ihre Anstrengungen für ein Ende der Kämpfe zu verdoppeln, eine Deeskalation und einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen", heißt es. Zudem wird der Abzug von schweren Waffen, Flugzeugen und Artillerie verlangt. Als vertrauensbildende Maßnahme wird etwa der Austausch von Gefangenen gefordert. Die Milizen sollen entwaffnet oder in staatliche Sicherheitskräfte eingegliedert werden. Die Konferenz dient demnach allein dem Ziel, den UNO-Prozess zur Deeskalation und für eine politische Lösung in dem Bürgerkrieg in Libyen zu unterstützen.

Erdogan hatte die EU am Samstag aufgefordert, die türkische Militärhilfe für die libysche Regierung zu unterstützen. Am Sonntag warnte Erdogan in Anspielung auf Haftar davor, dass ein Waffenstillstand nicht dazu führen dürfe, dass man das Land "den Ambitionen der Händler von Blut und Chaos" überlasse. Die Türkei spielt Erdogan zufolge eine entscheidende Rolle. "Ob auf dem Boden oder in der Diplomatie - die Türkei ist der Schlüssel für Frieden in Libyen."

Frage der Überwachung

Sollten sich die Teilnehmer der Konferenz auf einen dauerhaften Waffenstillstand einigen, stellt sich die Frage nach dessen Überwachung. Sarraj forderte eine internationale Schutztruppe für sein Land. "Wenn Khalifa Haftar seine Offensive nicht einstellt, muss die internationale Gemeinschaft aktiv werden, und zwar auch mit einer internationalen Truppe zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung", sagte er der "Welt am Sonntag". Eine solche Schutztruppe müsse unter dem Dach der Vereinten Nationen agieren. Dann müsse entschieden werden, ob daran die EU, die Afrikanische Union oder die Arabische Liga teilnehmen sollten.

In Libyen selbst spitzte sich die Lage zu, als eine mit Haftar verbündete Miliz im Südwesten offenbar nahezu die gesamte Ölproduktion des Landes zum Erliegen brachte. Die Gruppe will mit ihrem Vorgehen wirtschaftliche und sicherheitspolitische Forderungen durchzusetzen. Schon am Freitag hatten Truppen, die mit Haftar verbündet sind, die Ölhäfen im Osten geschlossen. Das führte nach UNO-Angaben zu einem Produktionsausfall von 800.000 Barrel pro Tag.

In der Erklärung von Berlin sollen sich die Teilnehmer dazu bekennen, dass die staatliche NOC in Tripolis die einzige legitimierte Ölgesellschaft ist, deren Anlagen geschützt werden müssten. Eine Nutzung von Ölvorkommen durch andere Gruppen und Milizen in Libyen wird verurteilt. Die Kontrolle über die Öleinnahmen ist wichtig für den Kauf von Waffen sowie den in der Erklärung ebenfalls erwähnten Wiederaufbau.

Partner der EU

In Libyen tobt seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar Gaddafi durch die USA, Frankreich und Großbritannien 2011 ein Bürgerkrieg. Für die EU ist Frieden in Libyen von besonderer Wichtigkeit, da das nordafrikanische Land als wichtigstes Transitland für Flüchtende aus Subsahara-Afrika gilt.

"Es ist Zeit, die Waffenruhe zu festigen, das UNO-Waffenembargo zu respektieren und den politischen Prozess neu zu starten", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Sonntag auf Twitter. "Das ist es, was die Menschen Libyens brauchen, und es ist entscheidend für die Sicherheit und Stabilität der EU."