Kurz vor der geplanten Libyen-Konferenz in Berlin hat der UNO-Sondergesandte für das Bürgerkriegsland, Ghassan Salame, einen Abzug ausländischer Kämpfer gefordert. Anhänger des abtrünnigen Generals Khalifa Haftar blockierten unterdessen wichtige Häfen für die Ölproduktion in dem Land und riefen damit international Kritik hervor.
"Wir haben einen Sicherheitsplan vorgelegt, der den Abzug aller ausländischen Kämpfer vorsieht, gleich welcher Nationalität", sagte Salame in einem Interview, das die arabische Zeitung "Al-Sharq al-Awsat" am Samstag veröffentlichte. Er wolle ein Ende der ausländischen Einmischung in den Konflikt.
Blockade der Ölhäfen
Die Blockade der Ölhäfen im Osten Libyens führt der staatlichen libyschen Ölfirma NOC zufolge zu einem massiven Produktionsausfall. Wegen der Blockade müsse die tägliche Ölproduktion in Libyen von bisher 1,3 Millionen Barrel auf 500.000 Barrel gedrosselt werden, teilte NOC am Samstag mit.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt am Sonntagnachmittag Vertreter von Staaten, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Unter anderen werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der russische Staatschef Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo erwartet. In Libyen konkurrieren Ministerpräsident Fajez al-Sarraj und Haftar um die Macht - auch sie sollen nach Berlin kommen.
Bürgerkrieg weitet sich aus
In dem nordafrikanischen Land tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg, in den sich immer mehr ausländische Akteure und Kämpfer eingeschaltet haben. Die weitgehend machtlose Regierung in Tripolis unter al-Sarraj wird dabei von den Truppen Haftars bedrängt, der in Ostlibyen seine wichtigste Machtbasis hat. Haftar und Verbündete beherrschen auch dank ausländischer Hilfe weite Teile des Landes, die Regierung nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis. Beide Seiten haben international unterschiedliche Unterstützer.
Wichtiger Öllieferant
Europa hat erhebliches Interesse an Stabilität an der Südküste des Mittelmeeres - auch weil Libyen traditionell ein wichtiger Öllieferant der Europäischen Union ist. Das Land hat sich durch das Kriegsgeschehen mit Willkürherrschaft und Schwäche der staatlichen Institutionen in den vergangenen Jahren außerdem zu einem der wichtigsten Transitstaaten für Flüchtlinge auf dem Weg Richtung Norden entwickelt.
Erdogan warnt
Erdogan, der die international anerkannte Regierung von al-Sarraj stützt, warnte: "Europa wird vor eine Reihe neuer Probleme und Bedrohungen gestellt, falls Libyens legitime Regierung stürzt", schrieb er in einem Beitrag für das Magazin "Politico" (Samstag). "Terrororganisationen wie der Islamische Staat (IS) und Al-Kaida, die eine militärische Niederlage in Syrien und im Irak erlitten haben, werden fruchtbaren Boden finden und wieder auf die Beine kommen", schrieb Erdogan. "Sollte der Konflikt weiter wüten, werden Gewalt und Instabilität auch die ungeregelte Migration Richtung Europa anheizen."
Er bot sein Land als verlässlichen Partner an, mit dem Europa das Ziel erreichen könnte, die Gewalt in dem Land zu beenden. "Wenn man bedenkt, dass Europa weniger daran interessiert ist, Libyen militärisch zu unterstützen, liegt es auf der Hand, mit der Türkei zusammenzuarbeiten, die bereits militärische Hilfe zugesagt hat."
Nach einem UNO-Bericht, den Generalsekretär Antonio Guterres an die Mitglieder des Sicherheitsrates geschickt hat und der auf den 15. Jänner datiert ist, sollen bei dem Treffen am Sonntag eine permanente Feuerpause und eine konsequente Umsetzung des Waffenembargos für das Bürgerkriegsland erreicht werden. Zudem sollen sich die Vertreter aus mehr als zehn Ländern für eine Rückkehr zu einem politischen Prozess in Libyen und zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie der Menschenrechte verpflichten.
Frankreich aktive Rolle
Aus diplomatischen Kreisen in Paris verlautete, dass Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei der Konferenz eine aktive Rolle spielen und Merkel bereits vor Beginn der Beratungen treffen wolle. Macron setze sich dafür ein, dass die Konferenz ein Erfolg werde.
Die Gästeliste des Treffens sorgt seit Tagen für Unruhe. Zuerst beschwerte sich Libyens Nachbar Tunesien, dass es nicht eingeladen wurde, dann Griechenland. Die deutsche Bundesregierung wollte den Teilnehmerkreis nicht zu groß ziehen und beschränkte sich bei den Einladungen auf die Länder, die von außen auf den Konflikt einwirken, zum Beispiel durch Waffenlieferungen oder die Entsendung von Söldnern.