Hätte mit dem Migrationspakt jeder Mensch ein Recht darauf, aus- und einzuwandern, wo er will?

Nein. Erstens hat der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ keine verbindliche Wirkung. Unter Punkt 7 des Paktes heißt es explizit: „Dieser globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar“. Das heißt, niemand, weder Einzelperson noch Organisation noch Staat, kann sich gegenüber Behörden oder vor Gericht darauf berufen. Zweitens enthält er auch keine Absichtserklärung, irgendjemandem die Ein- oder Auswanderung überall ermöglichen zu wollen.

Wenn der Pakt nicht verbindlich ist, warum ist darin dann so oft von „Wir verpflichten uns zu ...“ die Rede?

Es handelt sich um politische Bekenntnisse, nicht um rechtliche. Wenn man so will, kann man die Ziele, die in dem Pakt erwähnt sind, mit Wahlversprechen vergleichen: Schönwetteransagen, zu deren Einhaltung niemand verpflichtet ist – bei denen aber natürlich Nachfragen oder öffentlicher Druck kommen können, wenn sie nicht eingehalten werden.

Kann aus diesem Pakt nicht doch noch (Gewohnheits-)Recht werden?

So absolut lässt sich das nicht sagen. Gedacht ist der Pakt nicht so, dass er jemals direkt anwendbar wird, aber einige Maßnahmen darin sind so konkret formuliert, dass sie theoretisch über den Umweg des „Völkergewohnheitsrechts“ nach vielen Jahren Rechtskraft erlangen könnten. Das ist unwahrscheinlich, denn dazu müsste eine Mehrzahl der Staaten die Maßnahme umsetzen – und zwar in der Überzeugung, damit geltendes Recht umzusetzen. Das scheint zumindest auf absehbare Zeit ebenso ausgeschlossen wie dass ein Gericht dieser Argumentation folgen würde. Aber Völkerrecht ist eine bewegliche Materie, in der langfristigen Prognosen schwierig sind.

Wozu schließt man überhaupt einen so unverbindlichen Pakt?

Weil es in Verhandlungen, an denen fast alle Länder der Welt beteiligt sind – von solchen, die Immigration fürchten, bis zu solchen, die auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen sind –, praktisch unmöglich ist, eine gemeinsame verbindliche Position zu diesem sensiblen Thema zu finden. Daher nimmt man den Weg über das unverbindliche „Soft Law“, um zumindest eine gemeinsame Diskussionsbasis herzustellen.

Welche Punkte umfasst der Migrationspakt konkret?

Insgesamt enthält er 23 Ziele, zu denen die Staaten erklären, zusammenarbeiten zu wollen (siehe Kasten rechts). Zu jedem dieser Ziele gibt es eine Reihe von mehr oder weniger konkreten Maßnahmen, wie es erreicht werden soll. Darunter sind Ziele, die Migranten weltweit schützen sollen – etwa, ihnen Zugang zu staatlichen „Grundleistungen“ zu gewähren. Zum anderen sind aber auch Maßnahmen darunter, die Staaten nutzen können, die illegale Migration bekämpfen wollen, etwa verstärkter Grenzschutz, Austausch von Identitätsnachweisen oder verbesserte Zusammenarbeit bei der Rücknahme von Migranten.

Unterscheidet der Pakt zwischen normalen Migranten und Flüchtlingen?

Ja. Unter Punkt 4 des Paktes ist diese Unterscheidung klar verankert („Es handelt sich um verschiedene Gruppen (...). Dieser Pakt bezieht sich auf Migranten“). Allerdings ist auf UN-Ebene derzeit ein weiterer, ausschließlich auf Flüchtlinge bezogener Pakt in Verhandlung.

Wie kommt es überhaupt zu diesem Pakt, wer hat ihn verhandelt?

2016 hatte die UN-Vollversammlung die „New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten“ verabschiedet – darin hatte sie sich bekannt, bis 2018 zwei globale Pakte für diese Gruppen auszuhandeln. Das geschah auf Beamtenebene in mehreren Stufen – der Prozess ist auf der Webseite der UN-Migrationsorganisation IOM offengelegt. Anfang Juli hatten die Beamten sich auf einen Text geeinigt. Am 10. und 11. Dezember soll er in Marrakesch formal angenommen werden (nicht unterzeichnet, weil es sich um keinen Staatsvertrag handelt).

Was war Österreichs Rolle dabei?

Österreichische Beamte waren vor allem im letzten halben Jahr stark eingebunden – als EU-Vorsitzland bei der Annahme. Besonders wichtig war Österreich die Formulierung bei der Passage zur Kooperation beim Grenzschutz und zum Kampf gegen Schlepper.