Robert Bowers betritt vor einer Woche um 9.30 Uhr Vormittag (Ortszeit) die „Tree of Life“-Synagoge in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania. Bewaffnet mit einem Sturmgewehr und drei Glock-Pistolen eröffnet er das Feuer auf die Besucher der Synagoge. Acht Männer und drei Frauen sterben.

Nachrichten über tödliche Schießereien wie diese gehören in Amerika zum Alltag. Ob in Schulen, Büros oder Einkaufszentren, immer wieder sterben Menschen durch Kugeln aus Schusswaffen. Fälle wie jener in Pittsburgh regen auf, Medien berichten, der Präsident äußert sich und wieder wird über den Zugang zu Waffen im Land diskutiert. Die Kongresswahlen am Dienstag intensivieren die Diskussion zusätzlich. Doch sobald die Kameras und Mikrofone zu anderen Schauplätzen getragen werden, flacht auch die Diskussion wieder ab.

Waffenkauf mit 18, Alkohol erst mit 21

In den Vereinigten Staaten gibt es mehr Waffen als Einwohner. Möglich machen das Waffengesetze, die im Großteil des Landes mehr als liberal sind. In Staaten wie Texas oder Alaska können die meisten Waffen kinderleicht erstanden und bei sich getragen werden - ohne Waffenschein, Registrierung oder Überprüfung. Sturmgewehre oder Flinten können teils schon mit 18 gekauft werden - und damit drei Jahre bevor der Konsum von Alkohol erlaubt ist. Die Staaten mit den liberalsten Gesetzen führen auch die Statistik der Todesopfer durch Schusswaffen an.

Nach Schießereien wie jener in Pittsburgh läuft das Telefon von Dave Workman heiß. Er ist der Kommunikationschef des „Zivilkomitees für das Recht, Waffen zu behalten und zu tragen“. Eine Art Dachverband mit Sitz in Seattle, der Pro-Waffen-Organisationen im ganzen Land unterstützt. „Die Regulierungsanhänger schlachten solche Vorfälle immer für ihre Agenda aus. Aber Faktum ist: Waffen tun keinem etwas“, poltert er. „Sie töten keine Menschen, ihre Besitzer tun das.“ Kann sich Workman ein Amerika ohne Waffen vorstellen? Der stämmige Mann mit grauem Schnauzer schüttelt energisch den Kopf: „Bevor das passiert, gibt es einen zweiten Bürgerkrieg.“

Die mächtige Waffenlobby NRA

Politisch sind die Lager klar verteilt: Demokraten sind für die Regulierung des Waffenbesitzes, Republikaner dagegen. Ein Phänomen, das relativ neu ist. Erst in den 70er-Jahren entdeckten beide Seiten, dass man mit diesem Thema Wähler an die Urnen locken kann. Das ist auch der National Rifle Association (NRA) zu verdanken. Jener mächtigen Waffenlobby, die Donald Trumps Wahlkampf mit 30 Millionen Dollar unterstützt hat und die öffentliche Meinung seit Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt. Auch bei den Kongresswahlen am Dienstag wird die Einstellung der Kandidaten zum Thema Waffen über deren Erfolg mitentscheiden. Abweichungen von der Parteilinie kommen nicht infrage.

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