Vielleicht wird sie beim Start an die Zerstörung denken, vielleicht wird die Explosion in ihrem Kopf widerhallen. Und sie wird laufen. So schnell sie kann. Denn sie kann es: laufen.

Was für andere eine Selbstverständlichkeit ist, grenzt für Jana Stepanenko an ein Wunder. Das ukrainische Mädchen verlor vor genau zwei Jahren bei einem russischen Raketenangriff beide Beine. Zusammen mit ihrer Familie wartete Stepanenko am 8. April am Bahnhof von Kramatorsk auf ihre Evakuierung. Bevor es so weit kam, schlug eine Rakete ein, 50 Zivilisten – die alle auf ihre Flucht warteten – starben. Doch Stepanenko überlebte und kämpfte sich zurück. Obwohl ihre Großmutter den Angriff nicht überlebte, ihr Vater nur wenige Wochen später im Krieg ebenfalls starb. Das Mädchen wurde in die USA ausgeflogen, erhielt dort Prothesen. Schritt für Schritt fand sie ihr Selbstvertrauen wieder.

Nun will die Überlebende auf Prothesen eine Teilstrecke des berühmten Boston-Marathons in den USA am Sonntag mitlaufen. Das Ziel der heute Zwölfjährigen: mindestens einen Kilometer durchhalten.

„Am Anfang rannten wir 50 Meter, danach 100, 200 Meter“, berichtete Stepanenko. Mit speziellen Sportprothesen habe sie viermal wöchentlich für den Marathon trainiert. „Am Anfang war es etwas beängstigend, irgendwo zu fallen oder hängenzubleiben“, erinnerte sie sich. Ihre Teilnahme an dem Rennen dient auch einem guten Zweck: Das Mädchen sammelt Geld für eine Sportprothese für einen beinamputierten ukrainischen Soldaten. Dass Stepanenko ausgerechnet am Boston-Marathon antritt, darf aber wohl auch als symbolischer Akt gewertet werden. Im Jahr 2013 wurde das Sportevent von einem Sprengstoffattentat überschattet. Die Täter waren tschetschenisch-russischer Abstammung. Jana Stepanenko läuft – den Bomben und den Mördern zum Trotz.