Hinter verschlossenen Türen verhandelten Donnerstagabend die Sozialpartner mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Es ging darum, wann Österreichs Baustellen wieder geöffnet werden können. Die Bauwirtschaft gilt als das Rückgrat von Wirtschaft und Industrie.

Aktuell sind 55.000 der 95.000 Bauarbeiter zu Hause, so Baugewerkschafter Josef Muchitsch. Viele Baufirmen hatten die Baustellen von sich aus geschlossen. Weitere 40.000 sind noch in der Winterarbeitslosigkeit und warten auf die Rückkehr.

Die Baugewerkschaft hatte gefordert, dass sämtliche Baustellen zu schließen seien - oder aber die nötigen Schutzvorkehrungen zu treffen seien. Muchitsch: "Die Regierung war nicht bereit, die Baustellen zu stoppen, daher war es umso wichtiger und dringender, zusätzliche Schutzmaßnahmen zu erarbeiten. Wenn die nicht eingehalten werden können, sind die Baustellen, auf denen derzeit noch weitergearbeitet wird, einzustellen."

Zu den drei bestehenden Schutzgesetzen (Bauarbeiterschutzverordnung, Arbeitnehmerschutzgesetz und Baukoordinationsgesetz) kommt, so Muchitsch, "ein vierter Stock dazu", zusammengefasst in einem Acht-Punkte-Programm. Die Sozialpartner einigten sich darauf, dass diese Maßnahmen ab sofort gelten. Minister Anschober prüft noch einen Erlass dazu, um den Vorschriften noch mehr Gewicht zu verleihen.

  1. Alle Maßnahmen, die im öffentlichen Raum einzuhalten sind, gelten auch für Baustellen: 1 Meter Mindestabstand, Händewaschen, nicht ins Gesicht greifen, etc.
  2. Zusätzlich werden arbeitshygienisch Maßnahmen vorgeschrieben: Desinfektionsmittel müssen zur Verfügung stellen, Einrichtungen auf der Baustelle wie Aufenthaltscontainer, Sanitäranlagen, Waschgelegenheiten müssen regelmäßig gereinigt werden
  3. Zusätzlich sind organisatorische Maßnahmen vorgeschrieben wie zeitliche Staffelung der Beschäftigten, Staffelung beim Umkleiden, zeitliche Staffelung der Pausen, zusätzliche Pausenräume, Trennen von Arbeitsräumen der verschiedenen Gewerke, etc.
  4. Schutzausrüstung für Arbeiten, bei denen 1 Meter Abstand im Freien nicht möglich ist, in geschlossenen Räumen und beengten Verhältnissen wie Kanälen oder Schächten, je nach Erfordernis Schutzmasken unterschiedlicher Klassen, Vollvisierhelme, etc. Wenn die Ausrüstung nicht zur Verfügung gestellt werden kann, sind die Arbeiten einzustellen.
  5. Risikogruppen, also Arbeitnehmer die unter Vorererkrankungen leiden, dürfen in diesen Bereichen nicht eingesetzt werden.
  6. Firmenbusse und Personentransporte: Bei Fahrten hin und weg von der Baustelle und Transporten auf der Baustelle ist verpflichtend der Abstand von einem Meter einzuhalten.
  7. Schlafräume: Ab sofort dürfen Bauarbeitern nur noch in Einzelzimmern untergebracht werden.
  8. Baustellenkoordination: Ab einer gewissen Größe muss es schon jetzt verpflichtend einen Baustellenkoordinator geben. Dieser ist ab jetzt auch für das Vorschreiben dieser Maßnahmen zuständig.

Die Bauwirtschaft ist einer der Angelpunkte dafür, dass die Gesamtwirtschaft nicht völlig zum Erliegen kommt. Großkonzerne wie Strabag und Porr haben ihre Baustellen derzeit geschlossen, nur noch Aufsichts-und Sicherungsarbeiten werden durchgeführt.

Die Bauwirtschaft trägt rund sieben Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigt insgesamt etwa 250.000 Menschen in Österreich. Sie gilt als Angelpunkt für Wohl und Wehe von Österreichs Gesamtwirtschaft. Einzelne Baustellen, die die Auflagen nicht erfüllen können aber derzeit noch in Betrieb sind, müssen jetzt wohl geschlossen werden. Muchitsch geht davon aus, dass ein Teil der Baustellen insgesamt aber über Ostern wieder hochgefahren werden kann. "Das Schlimmste wäre, wenn die Firmen gar nicht bauen dürften."

Beppo Muchitsch: "Das Schlimmste wäre, wenn auf den Baustellen gar nicht gearbeitet werden könnte"
Beppo Muchitsch: "Das Schlimmste wäre, wenn auf den Baustellen gar nicht gearbeitet werden könnte" © APA/Herbert Neubauer