Die abhörsichere Schaltung in den virtuellen Konferenzraum funktioniert erst im zweiten Anlauf. Dann erscheint Brigadier Christian Riener auf dem riesigen Bildschirm des militärstrategischen Lagezentrums in der Wiener Rossauer Kaserne, Sitz des Verteidigungsministeriums. Die eingeladenen Journalisten mussten ihre Handys draußen lassen, so sieht es das Sicherheitsprotokoll vor. Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ist im Raum, sie trägt nach einem morgendlichen Auffahrunfall mit ihrem Dienstwagen eine Halskrause. "Ich habe mich im Heeresspital durchchecken lassen, da wurde ein leichtes Peitschenschlagsyndrom festgestellt", erzählt sie den Anwesenden.

Der Mann mit dem Schnauzbart auf dem Großbildschirm ist aus dem derzeit für österreichische Soldaten heißesten Einsatzgebiet zugeschaltet. Wenn Brigadier Riener heute das Kommando über die EU-Trainingsmission in Mali (EUTM) übernimmt, muss der Soldat aus dem Waldviertel bei knapp 40 Grad im Schatten kühlen Kopf bewahren. Er trägt ein halbes Jahr lang die Verantwortung für rund 1000 Soldaten aus 25 Nationen, 70 davon aus Österreich. Nach 2019 stellt Österreich zum zweiten Mal den Missionskommandanten. Ein geplanter Besuch von Ministerin Tanner im Einsatzraum wurde Corona-bedingt verschoben.

„Man soll nichts überdramatasieren oder schönreden“, stellt Riener gleich zu Beginn klar, „aber wir befinden hier uns nahe an der roten, heißen Zone“. Am Tag vor der Kommandoübergabe meldet sich der Offizier aus Mopti, rund 650 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. Auch im umkämpften und sicherheitstechnisch instabilen Zentrum des westafrikanischen Krisenstaates betreibt EUTM ein Trainingscamp zur Ausbildung der malischen Streitkräfte.

Brigadier Christian Riener ist neuer Missionskommandant
Brigadier Christian Riener ist neuer Missionskommandant © Bundesheer/ Daniel Trippolt

Das ist der wesentliche Unterschied zu anderen Militärmissionen in der Sahelregion: Die EU-Soldaten beteiligen sich nicht an Kampfeinsätzen gegen die islamistischen Terrormilizen. „Wir sind daher nicht primär Angriffsziel“, erklärt Riener. Es könne aber jederzeit passieren, dass man sich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufhalte. Truppen- und Eigenschutz genießen daher höchste Priorität. Soldaten sind außerhalb ihrer Stützpunkte nur mit ballistischen Schutzwesten und in geschützten Fahrzeugen unterwegs, längere Strecken werden ohnehin im Hubschrauber zurückgelegt.

>>> Zu Besuch bei der EU-Trainingsmission (Reportage aus 2019)

Das Bundesheer schickt auch nur erfahrene Kräfte nach Mali, darunter Angehörige des Jagdkommandos, der Militärpolizei und des Jägerbataillons 25. Viele davon sind Steirer und Kärnter. Die Jagdkommando-Soldaten sind vorwiegend in der Region Mopti eingesetzt, wo die Sicherheitslage am prekärsten ist. Soldatinnen finden sich derzeit nicht im Kontingent. „Alle hier sind dreifach geimpft. Es gelten die selben strengen Covid-Vorschriften wie zuhause. Derzeit haben wir einen einzigen positiven Coronafall im Kontingent“, so Riener.

Kein Gerät zum Üben

Die Ausbildung der malischen Soldaten gestaltet sich mühsam. „Es fehlt an Gerät zum Üben, alles wird für den Einsatz gebraucht. Man hilft sich mit notdürftigen Attrappen“, schildert der Brigadier den Zuhörern im Lagezentrum. Was er sich von seiner Kommandoführung erwartet? „Wir werden in sechs Monaten nicht die Welt retten", gibt er sich keinen Illusionen hin. Er werde versuchen, wo es geht, Initiatiativen zu setzen. Sehr viel Geduld sei aber noch notwendig, bis sich die Krisenregion halbwegs stabilisiere. „Aber wir Österreicher mit unserer Westbalkan-Erfahrung wissen ja, dass man die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen darf."

Nicht groß anstreifen will der Militär an aktuellen Fragen, die er lieber von (Außen-)Politikern beantwortet haben will. Etwa, ob die Involvierung Russlands und vor allem einer privaten russischen Söldnerfirma in der Region die ganze EU-Mission ad absurdum führen könnte. Nur soviel: "Das hat im Moment keine Auswirkung auf die Auftragserfüllung." Oder die heikle Frage, warum die EU ausgerechnet ein Militärregime unterstützt, das sich mit undemokratischen Mitteln an die Macht geputscht hat. Hier wählt die internationale Staatengemeinschaft offenbar den Weg des kleineren Übels. Man wolle dazu beitragen, dass im nächsten Jahr demokratische Wahlen in einem möglichst sicheren Umfeld durchgeführt werden können.