Die terminliche Gleichzeitigkeit mag Zufall sein, politische Beobachter möchten daran aber nicht so recht glauben. Während sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag dafür stark machte, die hierzulande strengeren Haltungsbedinungen in der Putenmast auch europaweit durchzusetzen, war sein Entwurf zur Herkunftskennzeichnung von Fleisch & Co. Zielscheibe bei einem "Kennzeichnungs-Gipfel" in der Landwirtschaftskammer.

Tenor der Gipfelrunde rund um Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Agrar-Spitzenfunktionären, zu der auch Anschober geladen war, aber wegen der parallel stattfindenden Puten-Pressekonferenz nicht teilnahm: "Strengere Regeln bringen hierzulande nur etwas, wenn es der Konsument durch bessere Kennzeichnung auch erkennen könne." Der aktuelle Anschober-Entwurf (er sieht wegen Bedenken zur EU-Konformität nur die Kennzeichung von Rindfleisch und Eiern und da auch nur in der Gemeinschaftsgastronomie) geht vor allem den Agrarvertretern und Tierschutz-Organisationen zu wenig weit.

EU-weit gibt es keine Mindeststandards für Putenhaltung

Zunächst zur Pute: Während Mindeststandards für die Haltung von Hühnern, Rindern oder Schweinen in der EU seit Jahren Realität sind, ging die Pute hier bisher leer aus. "Wirklich grauenhaft" seien daher die Bedingungen in einigen EU-Staaten, sagte die Grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener am Dienstag beim Medientermin mit Tierschutzminister Rudolf Anschober. Dieser will diese Situation nun ändern und sprach sich dafür aus, die österreichischen Standards nach Brüssel zu exportieren.

Konkret schreibt die EU keinen Minimal-Platz für Tiere (Besatzdichte) vor. Diese Besatzdichte ist jedoch in Österreich mit maximal 40 Kilogramm pro Quadratmeter festgelegt, im EU-Schnitt liege man jedoch bei 60 bis 70 Kilogramm, also deutlich mehr Tieren pro Quadratmeter.

Studienautorin Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns nannte neben der Besatzdichte ("je weniger Tiere pro Quadratmeter, desto gesünder für das Tier") vier weitere wichtige Faktoren, die geregelt werden müssten. Artgerechte Beleuchtung, Beschäftigungsmaterial, Außenklima und Auslauf.

Schauplatzwechsel zum Herkunfts-Gipfel: Dort ärgerte sich Bauernbundpräsident Georg Strasser darüber, dass der Grüne Gesundheitsminister nicht beim Gipfel war. "Ich verstehe nicht, warum Bundesminister Anschober lieber über deutsche Putenhalter spricht, anstatt mit uns über die längst fällige Umsetzung der Herkunftskennzeichnung in Österreich zu sprechen. Was nützen uns höchste Standards österreichischer Putenhalter, wenn der Konsument die Herkunft des Putenfilets nicht erkennt?"

Die landwirtschaftlichen Organisationen fordern ja seit Jahren eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, wie sie auch im Regierungsprogramm steht. Der nun von Gesundheitsminister Rudolf Anschober vorgelegte erste Verordnungsentwurf geht den Agrariern aber nicht weit genug. "Wir wollen keine halben Sachen", sagte am Dienstag Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger, der nun eine Arbeitsgruppe zur Vorlage einer weitreichenden Herkunftskennzeichnung einrichten will.

Herkunfts-Gipfel am Dienstag in der Landwirtschaftskammer
Herkunfts-Gipfel am Dienstag in der Landwirtschaftskammer © (c) Christian Lendl

Nur Rindfleisch und Eier in Kantinen von Entwurf betroffen

Der Anschober-Entwurf sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem weitere, wie im Koalitionsübereinkommen vereinbart, folgen müssten", sagt indes Agrarministerin Elisabeth Köstinger.

Der Entwurf enthält wie berichtet lediglich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung für Rindfleisch und Eier. Im Regierungsabkommen ist jedoch von der Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten bei Fleisch, Milch und Eiern sowohl in der Gemeinschaftsgastronomie, als auch bei verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst die Rede.

Dies sei jedoch schwer mit den EU-Gleichheitsgrundsätzen vereinbar, wird im Gesundheitsministerium immer wieder betont.

Was Tierschutz, Gastro und Lebensmittelindustrie dazu sagen

Die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" sieht indes auch beim Dilemma der fehldenden Tierwohl-Standards in der EU-weiten Putenmast die Lösung "in einer konsequenten Kennzeichnung von Haltungsstandards und Herkunft für alle Bereiche, vom Lebensmitteleinzelhandel bis zur Gastronomie.

Die heimische Gastronomie, die aktuell mit dem Corona-Lockdown kämpft, hat die verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Rindfleisch und Eier zuletzt als "No-Go" bezeichnet. Aus Sicht der Lebensmittelindustrie verstößt die geplante Ausdehnung der Lebensmittelkennzeichnung gegen EU-Recht, weil sie heimische Erzeuger im Vergleich zu ausländischen mit Mehrauflagen benachteilige.