„Was haltet ihr davon, dass wir uns einen Treffpunkt ausmachen und wir dann geschlossen zum Heldenplatz maschieren? Aber alle die am 16.1 kommen, sollten Bescheid wissen. Das geht aber nicht auf fb und WhatsApp, sonst wissen die Bescheid“, schreibt Andrea S., eine fleißige Texterin in der steirischen Anti-Corona-Gruppe, auf Telegram. Andrea S., die unter ihrem vollen Namen die Nachrichten verschickt, spielt auf die Wiener Demo an, die zunächst nicht genehmigt wurde.

„I wü a ein Bier“, wirft Kathrin H. ein.

„die wissen so und so bescheid, oder glaubst du dass hier im chat kein spitzel ist?“, antwortet „real man“ Andrea S.

Dazu muss man wissen: Zutritt zur Gruppe zu bekommen ist wahrlich keine journalistische Glanzleistung – die Einladungslinks liegen frei auf der Startseite des „CoronaWiderstands“. Dass jeder hier mitlesen kann, ist aber wohl nicht allen bewusst.

Real Man setzt nach: „selbst bei der demo müssen wir aufpassen dass da nicht ein ziviler lauser unser bier mitsäuft. So lange man keine gewalttaten oder ähnliches anzettelt kann nichts passieren. Für abstandhalten oder maskenkontrolle wird sich in wien keiner interessieren. Die schergen der parlamentarier werden aufpassen müssen dass das parlament so bleibt wie es ist 😉 Und wenn, gibt es maximal eine verwaltungsstrafe und die ficht man an, also nix scheißen.“

Andere stimmen Real Man zu. Man sieht: Sie fühlen sich sicher. Wirkliche Angst vor Konsequenzen scheint niemand zu haben.

Es werden in der Gruppe nicht nur Links geteilt, die weit entfernt sind von jedem wissenschaftlichen Konsens, nein, auch flackern immer wieder Gewaltfantasien auf.

Inhaber der Gruppen ist Martin Rutter, jener Kärntner, der wegen rechtsradikalem Gedankengut 2017 aus der Landtagsfraktion Team Kärnten flog. Er bespielt gleich mehrere der Kanäle regelmäßig mit Inhalten und ruft zu Aktionen auf. Ein weiterer Administrator betitelt sich selbst auf der Plattform als „Der Kommandant“.

„Wenn Kanzler Kurz das Volk illegal daheim einsperren möchte, sollten wir ihm mal einen Besuch abstatten. (Natürlich friedlich, aber lautstark!) Wir organisieren da gerade was“, schreibt Martin Rutter am vierten Januar. Thomas H., der offen mit Profilfoto und dem Spitznamen „@DeutscheHaerte“ auftritt, antwortet: „Der Cobra Schutz des Kanzlers muß ja schon exortbitant hoch sein. Gegen die Maße kann aber selbst Cobra und Militär ab einer gewissen Größenanzahl nichts mehr ausrichten. Ich spreche aus mehrjähriger militärischer CRC Erfahrung. Also auf zum nächsten Spaziergang 😉.“ Niemand antwortet, niemand widerspricht. 

Auf einen Artikel, den jemand in den Chat postet, aus dem hervorgeht, dass ein Mann zum Mord an Kanzler Kurz aufgerufen hat, kommentiert eine Userin noch „er hätte es durchziehen sollen.“ Eine andere Userin fordert die Admins auf, diesen Post zu löschen. Mittlerweile ist der Eintrag nicht mehr zu finden.

Lügenpresse

Ein Thema, das sich durchzieht, ist die „gekaufte Lügenpresse.“ Was die Demonstranten von den Medien halten, zeigte sich schon auf der ersten Corona-Demonstration in Graz. Während wir etwas abseits standen und den Demozug filmten, skandierten einige Männer laut „Lügenpresse, Lügenpresse“ in unsere Richtung. Später am Hauptplatz beschimpfte man unseren Kameramann, der gerade versuchte, einen Schwenk über den Platz zu filmen, unter anderem als Schmierfinken.

Auch Harald Wiedner ist Teil der Telegramgruppe. Er ist eine zentrale Figur der Grazer identitären Bewegung und soll auch die Demonstration am 9.1 in Graz angemeldet haben.
Auch Harald Wiedner ist Teil der Telegramgruppe. Er ist eine zentrale Figur der Grazer identitären Bewegung und soll auch die Demonstration am 9.1 in Graz angemeldet haben. © Screenshot CoronaWiderstand Steiermark.
Ein User spricht in Anlehnung an Greta Thunberg immer wieder vom "Greta Reset" statt des Great Resets. Auch die junge Klima-Aktivistin wird immer wieder zur Zielscheibe, aber sie nimmt es mit Humor. Auf ihrem Instagramprofil postete sie erst kürzlich ein satirisches Foto mit einem Tshirt, auf dem "Flat Mars Society" steht. Dies ist eine Anspielung auf die "Flat Earth Society". Eine Gruppe von Menschen, die primär in den USA leben und auf Youtube Videos darüber verbreiten, dass die Erde eine Scheibe sei.
Ein User spricht in Anlehnung an Greta Thunberg immer wieder vom "Greta Reset" statt des Great Resets. Auch die junge Klima-Aktivistin wird immer wieder zur Zielscheibe, aber sie nimmt es mit Humor. Auf ihrem Instagramprofil postete sie erst kürzlich ein satirisches Foto mit einem Tshirt, auf dem "Flat Mars Society" steht. Dies ist eine Anspielung auf die "Flat Earth Society". Eine Gruppe von Menschen, die primär in den USA leben und auf Youtube Videos darüber verbreiten, dass die Erde eine Scheibe sei. © Screenshot CoronaWiderstand Steiermark

Auch die Kleine Zeitung kämpft in den sozialen Medien seit einiger Zeit mit einer Flut an gleich klingenden Kommentaren von wiederkehrenden Facebook-Usern. Immer wieder werden die gleichen Parolen verbreitet, gleiche Youtubelinks geteilt und abfotografierte DinA4-Zettel als Beweis für Corona als einen „Plan der Herrschenden“ verbreitet. NS-Vergleiche nehmen zu. Auch diese Troll-Angriffe sind über Telegram koordiniert.

In der Gruppe „BlitzAktion gegen Coronalügner“, deren Zugriffslink auf „Blitzangriff“ endet, hat man es sich zur Aufgabe gemacht, „gezielten offensiven Online Widerstand“ zu organisieren. Matthias S. der „Kommandant“ der Gruppe teilt täglich Links zu Posts von österreichischen Tagesmedien, die dann gezielt mit Kommentaren und Verschwörungsmythen geflutet werden. So finden auch Links der Kleinen Zeitung öfter ihren Weg in die Gruppe. Die „Belege“ für ihre Thesen beziehen die User aus der Gruppe „C-Research Info“. Dort werden gezielt Berichte gestreut, die dem Namen im Link nach Qualitätsmedien nah sind. „Off-guardian“ statt dem Guardian, „Connectiv“ statt dem Correctiv, all das wird unter Links von einschlägigen rechten Portalen wie unzensuriert oder Wochenblick gemischt und verbreitet.

Ein User behauptet beispielsweise fälschlicherweise, dass die US-Wahl für ungültig erklärt wurde.
Ein User behauptet beispielsweise fälschlicherweise, dass die US-Wahl für ungültig erklärt wurde. © CoronaWiderstand Screenshot

Für den nächsten Demonstrationstermin in Wien versucht Martin Rutter weiterhin, die Massen zu mobilisieren. Und er spricht von einer politisch gewollten Eskalationsstrategie der Polizei. Rutter kündigt an, dass es „nicht nur zu vereinzelten gefährlichen Szenen sondern gegebenenfalls sogar zu einem nicht mehr kontrollierbaren Flächenbrand“ kommen könne. Ein paar Nachrichten später ruft er seine Anhänger dann aber doch dazu auf, friedlich zu bleiben.

Um für den 16. Polizeikräfte anderswo zu binden, versucht Rutter in diversen Gruppen dafür zu werben, dass die Leute wahllos Demonstrationen anmelden.
Um für den 16. Polizeikräfte anderswo zu binden, versucht Rutter in diversen Gruppen dafür zu werben, dass die Leute wahllos Demonstrationen anmelden. © Screenshot CoronaWiderstand

Angesichts der schmächtigen Teilnehmerzahlen bei den letzten Demonstrationen, bleibt für den 16.1 abzuwarten, wie groß der Andrang ausfällt. Einige Beobachter gehen allerdings davon aus, dass es bis zu 30.000 Teilnehmer nach Wien ziehen könnte.

"Corona Spaziergang": Was wollen die Demonstranten?