Eine Expertenrunde hat die Auswirkungen des Corona-Lockdowns im ersten Halbjahr analysiert. Das vorläufige Ergebnis: Die stationären Aufenthalte in Österreichs Krankenhäusern gingen stark zurück. Angeschaut wurden bisher medizinische Akutfälle, Schlaganfälle, Herzinfarkte aber auch Unfälle - und letztere haben sich sogar halbiert.

"Wir haben nur Schlaglichter geworfen", betont Karin Eglau (Gesundheitsplanung und Systementwicklung"). Doch diese zeigten einen Rückgang bei Aufenthalten nach Herzinfarkten zwischen März um Mai um 25 Prozent. Die Vermutung: Beim Zuhausesein traten viele auslösende Trigger nicht auf. Bei Schlaganfällen gab es im Gegensatz zur internationalen Entwicklungen (in manchen Ländern bis zu minus 40 Prozent) kaum einen Unterschied zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Bei den Unfällen hat sich die Zahl der stationären Aufenthalte allerdings halbiert. Eglau: "Es wurden wohl weniger Risikosportarten ausgeübt".

Todesraten nicht untersucht

Doch auch Behandlungen nach Krebserkrankungen gingen zurück, nach Geburten blieben die Frauen um mindestens einen halben Tag kürzer im Spital - "unter drei Tagen", so Eglau. Operationen wegen Grauen Stars, künstlichen Knie- und Hüftgelenken wurden kaum durchgeführt - um Betten für Corona-Patienten freizuhalten.

Die Mortalitätsraten wurden bisher nicht untersucht. Das werde man sich erst in ein bis zwei Jahren anschauen können, denn die Menschen würden ja nicht akut sterben. "Akutbehandlungen wurden immer durchgeführt".

Problem bei Krebsbehandlungen

Dafür eher bedenklich, was die Versorgung von Patienten mit Krebs oder Krebsverdacht betraf: Bei der GÖG wurde während des Lockdowns ein Rückgang der Spitalsaufenthalte um 20 Prozent beobachtet. Das betreffe sowohl Therapien als auch Aufenthalte wegen diagnostischer Eingriffe, betonte Karin Eglau. Die Zahl der Brustkrebsoperationen ging von um die 500 im März 2020 (ähnliches Niveau wie 2019) auf etwa 350 im Mai zurück, sie steigt seither nur langsam an.

Die Expertin: "Wenn keine Mammografien erfolgen, können keine Diagnosen gestellt werden. Dann kann man nicht operieren." Die Sache ist längst nicht ausgestanden. Karin Eglau erklärte, es könnten in der Folge auch Diagnosen erst in einem späteren (und gefährlicheren) Stadium der Erkrankung auffällig werden. Bei den Kindern gab es jedenfalls einen Rückgang der Spitalsaufenthalte vorübergehend um rund 50 Prozent.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober betonte, man wolle mit solchen und weitergehenden Analysen aus der vergangenen Krise für die Zukunft die richtigen Schlüsse ziehen, um das österreichische Gesundheitswesen für solche Herausforderungen noch stabiler zu machen: "Wir wollen eine umfassende Gesundheitsfolgenabschätzung für den Lockdown machen." Hier solle ein Gesamtbild über das entstehen, was Covid-19 für die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung insgesamt bedeute

Strategie aufgegangen

"Das war unsere Strategie aufgrund der Entwicklungen in Italien", betonte Gesundheitsminister Rudolf Anschober: Erstens große Kapazitätsreserven einplanen und zweites das Gesundheitspersonal zu schützen.

Das am Mittwoch bei der Pressekonferenz präsentierte Ergebnis ist nur eine vorläufige Analyse, "ein Zwischenstand", so Anschober. In eine zweiten Schritt werden die generellen Wirkungen untersucht, wozu vor allem auch die psychischen Auswirkungen des Lockdowns auf die Österreicher zählen.

Die Expertenrunde tritt deshalb am 9. September wieder zurück. Doch eine Grundsatzentscheidung mit den Gesundheitskassen sei bereits gefallen: "Es gibt eine absolute Sicherheit bei den Versicherten". Anschober gibt eine Garantie, dass es trotz Coronapandemie und Lockdown keine Leistungsverringerungen und keine Beitragserhöhungen geben wird.

Tausende Operationen verschoben

Speziell in der Lockdown-Phase sind coronabedingt etliche nicht lebensnotwendige medizinische Behandlungen und Eingriffe abgesagt bzw. verschoben worden. Das habe keine Fälle bewirkt, bei denen Patienten "schwerwiegende gesundheitliche Schäden" genommen hätten, versichert nun der Dachverband der Sozialversicherungsverträger.

In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vom Dachverband erheben lassen, wie viele Operationen verschoben worden sind. Im Bereich der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) waren dies knapp 2.000, wobei Akuteingriffe davon ausgenommen waren. Lebenswichtige Operationen habe man "zu jedem Zeitpunkt durchgeführt", betont der Dachverband.

Im Detail wurden seitens der ÖGK rund 1.000 Katarakt-Operationen - die häufigsten operativen Eingriffe in der Augenheilkunde - zur Behebung von Grauem Star verschoben. Auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wurden außerdem jeweils rund 280 chirurgische und orthopädische sowie je 150 gynäkologische und HNO-Eingriffe. Weiters wurden 130 urologische Operationen verlegt.

Thema Kroatienrückkehrer

Zur Reisewarnung und en Kroatienrückkehrern erklärte Anschober, dass "Kärnten, die Steiermark und das Burgenland dabei im Schwerpunkt stehen" würden. Die Zahlen seien in der Vorwoche stark gestiegen, jetzt sei die Situation ähnlich wie in den Vortagen. "Die Gegenmaßnahmen greifen!" Tausende zusätzliche Tests werden derzeit durchgeführt - allein am Montag gab es österreichweit 43.000 Anrufe bei der Coronahotline. 7000 Termine für Tests wurden bereits vergeben. Die Zahlendifferenz entstand, weil auch viele Nicht-Kroatien-Heimkehrer anriefen und sich allgemein informieren wollen, so Anschober.

Die Infizierten werden übrigens immer jünger. Betroffen seien jetzt vor allem die 15- bis 20-Jährigen.