Einmal schlafen und am Ziel aufwachen: Der Nachtzug macht’s möglich und wird immer beliebter in Österreich. Doch wer zuletzt die Kosten für die nächste Reise mit einem Nightjet prüfen wollte, dürfte eine böse Überraschung erlebt haben: Die ÖBB haben ihre Preise angehoben. Und das nicht nur ein bisschen. Mitunter zahlt man doppelt und im schlimmsten Fall dreimal so viel. Das hat vor Kurzem die Analyse von Timo Grossenbacher ergeben. Der Schweizer Programmierer und Journalist fährt privat viel Zug und hat die Vergleichsplattform night-ride.ch gegründet.

Grundsätzlich bestimmt die Nachfrage bei den ÖBB, wie viel man für ein Nachtzugticket zahlt. Bedeutet: An besonders beliebten Reisetagen steigen die Preise in die Höhe. Vor mehr als zwei Wochen haben die ÖBB auf ein dynamisches Preissystem umgestellt, feste Stufen gibt es nicht mehr. Und: „Die Spanne an Preisen wurde verbreitert“, geben die Sprecher der ÖBB an. So will man besser auf die unterschiedlichen Nachfragen reagieren und Überlastung vorbeugen, indem man Menschen mit günstigeren Tickets hin zu den weniger frequentierten Tagen lockt.

Die ÖBB versprechen immer mehr Komfort in den Nightjets
Die ÖBB versprechen immer mehr Komfort in den Nightjets © Markus Traussnig

Von 300 auf 800 Euro für ein Nightjet-Ticket

Das ließ wiederum „viele Preise durch die Decke gehen“, sagt Grossenbacher. Er hat in seiner Analyse 30 Verbindungen, darunter Wien–Hamburg oder Wien–Paris, an zehn ausgewählten Tagen Ende Februar ausgewertet. Einmal vor zwei Wochen, woraufhin die ÖBB beschwichtigten: Die Preise im System seien nur kurzfristig durch sehr viele Buchungen hochgefahren. Bei Grossenbachers Analyse vorgestern zeigte sich aber: Das stimmt nur teilweise. Zwar haben sich laut dem Programmierer die Preise „etwas gemäßigt“, einzelne Angebote wurden durch das neue System günstiger, etwa die Nightjet-Sparschiene an weniger frequentierten Tagen. Andere Angebote sind aber teils „immer noch massiv teurer“. Zahlte man für ein privates Schlafwagenabteil vorher maximal 300 Euro, sind es nun bis zu 800. Eine Analyse von zugpost.org zeigte, dass die Preise, die maximal verlangt werden können, durchwegs gestiegen sind.

Vor allem in den sozialen Medien machen die Menschen derzeit ihrem Ärger Luft. „Das ist nachvollziehbar, man tut hier dem Nachtzug nichts Gutes. Das ist ein Image-Schaden“, sagt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich. Er glaubt sogar, dass viele Menschen verstehen würden, wenn Zugfahrten an Tagen mit hoher Nachfrage teurer sind, „aber nicht so, wenn man nicht weiß, wie groß die Spanne ist“ und sich der Preis jederzeit beinahe beliebig ändern könne, so der Verkehrsexperte. Kritisiert wird auch die mangelnde Kommunikation und Transparenz vonseiten der ÖBB. Wie der Preisalgorithmus bei den Nightjets arbeitet, ist nicht bekannt. Gratzer befürchtet: Die Begeisterung für den Nachtzug wird so gedämpft, die Leute Richtung Flugzeug gedrängt.

Auch Mobilitätsexperte Roland Hackl von tbw research erklärt: Das dynamische Preissystem kennt man aus Flugverkehr und Hotellerie, um Profite zu maximieren, für die ÖBB sei es aber nicht geeignet. Nicht in Zeiten der Mobilitätswende, in der es gilt, so viele Leute wie möglich auf die Schiene zu bekommen, um die Klimaziele zu erreichen. „Der Zugang zum Zug soll für alle möglichst leistbar sein.“ Angebracht gewesen wäre es, die Preise zu senken und das Zugangebot auszubauen, so Hackl.