Bislang galten die heimischen Energiekonzerne als echte Krisenprofiteure – zumindest jene, die stark in der Erzeugung engagiert sind. Die massiv gestiegenen Strompreise im europäischen Großhandel treiben Umsätze und Gewinne in die Höhe. So steigerte der teilstaatliche Verbund im ersten Halbjahr 2022 den Gewinn um mehr als 150 Prozent auf 817 Millionen Euro. Ende Juli erhöhte man die Prognose für 2022 auf bis zu 2,03 Milliarden Euro Gewinn. Doch schon damals warnte Verbund-Chef Michael Strugl: „Es ist in Wirklichkeit ein Gaspreisschock, der die Strompreise so hinauftreibt. Das stellt auch für uns eine Schwierigkeit dar.“ Bei schlechter Wasserführung sinke die Produktion bei den eigenen Kraftwerken, dann müsse man „fehlende Mengen auf den Märkten zukaufen“.

Das Unternehmen wirbt mit 100 Prozent Wasserkraft, hob die Strompreise für die Kunden aber trotzdem deutlich an. Als eine Diskussion über die mögliche Abschöpfung von Gewinnen begann, kündigte man an, Kunden zwei bis vier Monatsrechnungen gutzuschreiben. Sorgen machen muss man sich um den Verbund trotzdem nicht. Auch die Kärntner Kelag profitiert durch ihre Wasserkraftwerke von den gestiegenen Großhandelspreisen, hat aber ebenfalls die Strompreise deutlich erhöht – im Winter sei man stark von Importen abhängig, so die Argumentation. Zudem führen Trockenheit und geringe Schneeschmelze zu Tiefständen bei der Wasserkraft.

Die noch viel stärkere Abhängigkeit von Importen bringen jetzt einen der größten Energielieferanten in Österreich ins Taumeln. Der Wien Energie, eine 100-Prozent-Tochter der Stadt Wien, fehlen 1,7 Milliarden Euro, wie gestern am Rande des Energiegipfels im Bundeskanzleramt bekannt wurde. Dort forderte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) einen europäischen Strompreisdeckel und eine Entkoppelung von Strom- und Gaspreisen. Warum er monatelang gebraucht hat, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bleibt sein Geheimnis.

Nehammers Forderung wird in der Diskussion heute ein Randthema bleiben – vielmehr wird es hektisches Treiben rund um die Wien Energie geben. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sprach in der ZiB2 schon von einem möglichen Rettungsschirm. „Nein, Wien Energie ist nicht insolvent/pleite“, hielt das Unternehmen, das rund zwei Millionen Wienerinnen und Wiener versorgt, noch am Sonntagabend fest. Man habe „beste Bonität“, die Sicherheitsleistungen, die an den europäischen Energiebörsen hinterlegt werden müssen, steigen jedoch massiv – deshalb gibt es offenbar Liquiditätsengpässe. Too big to fail? Die Stadt Wien soll der Wien Energie schon mit Garantien ausgeholfen haben, weshalb ÖVP und FPÖ in Wien einen Finanzskandal wittern.

Mehr als 78 Prozent des Wiener Energieverbrauchs werden durch Gas und Erdöl abgedeckt – die Aussichten sind also nicht rosig. Die negative Energie beim kriselnden Fußball-Rekordmeister Rapid Wien wird für den Hauptsponsor Wien Energie da zur Nebensache.

Einen Wochenstart mit positiver Energie wünscht