Ein Online-Leitfaden für Long Covid soll Hausärztinnen und -ärzten ab sofort helfen, den besten Behandlungsweg zu finden. Mit dem Tool könnten die Mediziner während des Gesprächs mit den Betroffenen gemeinsam "die Infos suchen, die man braucht", sagte Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), am Mittwochnachmittag bei einem Hintergrundgespräch.

Der Thema Long Covid werde in den Variantenmanagementplan und damit in die Herbstplanung einfließen, betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch. Zum Thema finde eine laufende Evaluierung statt und im Herbst werde es eine eigene Konferenz ausschließlich zu Long Covid geben. "Die Forschungslage dazu ist ständig im Weiterentwickeln, aber sehr dürftig", sagte der Minister.

Ein Web-Tool für die Hausärztin, den Hausarzt

Nun wurde ein Web-Tool entwickelt, das den in Österreich als erste Anlaufstelle für Betroffene definierten Hausärzten unter die Arme greifen soll. Dieses ist auf der Seite der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften frei abrufbar, aber für "professionelle Nutzerinnen und Nutzer gedacht", wie Rabady erläuterte, die selbst an dieser Uni tätig ist.

Die interaktive "S1 Leitlinie" führt von einer Long-Covid-Definition über die unterschiedliche Symptomatik, Behandlungsoptionen, den Punkt Nachsorge und Rehabilitation zu speziellen Long-Covid-Formen wie ME/CFS und Autonome Dysfunktion, wo u.a. chronische Erschöpfung bzw. hoher Puls "schon beim Aufstehen" die Folge sind, erläuterte Rabady. Auch Arbeitsmedizin und -recht sowie psychosoziale Aspekte werden abgehandelt und ein Downloadbereich angeboten.

Dieses Web-Tool sei zusammen mit der schon länger veröffentlichten Behandlungsleitlinie ein "wichtiger Schritt", sagte Neurologe Michael Stingl im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag. Denn es sei keine Überraschung, dass Corona, wie auch andere Viren, lang anhaltende gesundheitliche Probleme verursacht, die auch chronisch werden können. "Und je früher man etwas dagegen macht, umso besser", so Stingl, der seit vielen Monaten in seiner Ordination Long-Covid-Betroffene betreut.

Mehr Anlaufstellen und kurze Wege für Betroffene

Was im Vordergrund steht, sei die systematische Abklärung von mehrdeutigen Symptomen, betonte Rabady. Müdigkeit könne etwa auch ein Zeichen von Diabetes oder einer Herzkrankheit sein. "Wir wollen eine Überdiagnostik vermeiden, aber auch Unterdiagnostik hintanhalten", sagte die Medizinerin. Patienten sollten nicht unnötig hin und her geschickt werden. Erst wenn weitere Krankheiten ausgeschlossen sind, sollte ein Verdacht auf Long Covid geäußert werden. Anfangen müsse es aber damit, dass sich die Betroffenen ernst- und wahrgenommen fühlen.

"Ich glaube, es ist gut, dass wir zu einer systematischen, bewussten Herangehensweise an das Thema Long Covid herankommen", sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Es brauche eine ganzheitliche Betreuung und gebe auch Überlegungen, eigene Zentren für Long Covid aufzubauen, berichtete Steinhart. Vor Letzterem warnte Rabady, weil Long Covid wie Covid-19 den ganzen Körper betreffen könne und die Patienten auch nicht aus der gewohnten Betreuung herausgenommen werden sollten, befand sie.

Für mehr Zentren plädiert auch Stingl. "Es gibt momentan zu wenige Spezialambulanzen." Und die, die es gäbe, hätten kaum Kapazitäten und lange Wartezeiten. "Wir brauchen größere Anlaufstellen für jene Fälle, die im niedergelassenen Bereich nicht handhabbar sind", erklärt Stingl. Denn bei einem Großteil der Betroffenen würden sich die Probleme nach etwa einem halben Jahr bessern, aber es bleibe ein gewisser Prozentsatz, "bei dem sich der Zustand nicht bessert, die weiterhin gesundheitliche Probleme haben. Für diese braucht es diese Anlaufstellen."

Video: "Long Covid - Wenn Corona nicht aufhört"

Dem Thema Long Covid hat sich auch KLZ Next, die junge Generation der Kleinen Zeitung, im Video-Format "Was geht?" gewidmet.