„Während der letzten zwei Wochen haben sich die Masernfälle in Österreich verdreifacht“, sagt Andrea Grisold. Für die Steiermark waren das acht bestätigte Fälle seit Ende Jänner, am vergangenen Wochenende kamen weitere sieben Verdachtsfälle hinzu. Und die nächsten Verdachtsfälle, welche die Leiterin des Bereichs Klinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Impfungen an der Med Uni Graz zur Testung erhalten wird, wurden schon angekündigt. Insgesamt sind in Österreich in diesem Jahr schon mehr als 60 Fälle der hochinfektiösen Erkrankung zu verzeichnen.

Im gesamten letzten Jahr waren es 186 Fälle. Doch es zeichnet sich ab, dass 2024 mit 2023 nur bedingt vergleichbar ist. Denn der Großteil der Fälle im Vorjahr war auf einen Cluster zurückzuführen. Das ist heuer anders. „Wir sehen in unterschiedlichen Bundesländern verschiedene Virusstämme“, erklärt Grisold. Masern zählen zu den ansteckendsten Viren überhaupt, sie breiten sich rasant aus – in der aktuellen Situation ist wohl mit einem Schneeballeffekt zu rechnen. „Fasching, Semesterferien, Skikurse – für die Masern sind das aktuell leider optimale Bedingungen“, sagt Grisold. Die mögliche Folge: Österreich wird auch heuer eine Rekordanzahl an Masernfällen verbuchen, und dies nachdem man 2023 laut Zahlen von ECDC auf Rang zwei hinter Rumänien lag. 

Die Impflücke als großes Problem

Die Ursache für die stark gestiegene Zahl an Masernfällen ist vor allem in der niedrigen Durchimpfungsrate in Österreich zu finden. Für einen Herdenschutz notwendig wäre eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent, von dieser ist Österreich weit entfernt. Laut dem „Kurzbericht Masern 2022“ des Gesundheitsministeriums zeigt sich, dass in der Altersgruppe der Zwei- bis Fünfjährigen acht Prozent völlig ungeimpft sind, die zweite Teilimpfung haben nur 87 Prozent erhalten. „Vor allem die Kinder des 2019er- und 2020er-Jahrgangs weisen niedrige Durchimpfungsraten auf“, heißt es in dem Bericht. Von den Unter-Zehnjährigen verfügen demnach rund 30.000 über keinen ausreichenden Impfschutz.

„Die Impflücke ist das große Problem“, sagt Grisold. Mit ein Grund für diese sind auch die Pandemiejahre. Zum einen, weil Schulimpfungen bzw. Impfungen beim Kinderarzt während dieser Zeit nicht stattgefunden haben bzw. seltener wahrgenommen wurden. Auch die allgemeine Impfskepsis hat sich durch die Diskussion um die Covid-Impfung verstärkt.

Andrea Grisold
Andrea Grisold © Meduni Graz

Die niedrige Durchimpfungsrate gefährdet vor allem jene massiv, die noch nicht geimpft werden können: Neugeborene und Babys bis zum neunten Lebensmonat. Denn die Masernimpfung wird erst ab diesem Zeitpunkt verabreicht. „Masern sind eine wirklich schwere Viruserkrankung, die schwerwiegende Komplikationen hervorrufen kann, aber wir können uns durch die Impfung effektiv schützen“, plädiert Grisold. Die Komplikationen reichen von einer Mittelohrentzündung über einer Bronchitis bis zu einer Lungenentzündung. Dies betrifft rund ein Fünftel aller Erkrankten. „Wir wissen aber auch, dass eine Maserninfektion das Immunsystem beeinträchtigt, und das auch noch Wochen und Monate nach der Erkrankung.“ Man ist also nach den Masern anfälliger für weitere Erreger.

Impfung: Status überprüfen, Dosis nachholen

Was kann man also tun, um sich zu schützen? Erst einmal sollte man seinen Impfstatus kennen. Das beginnt mit der Kontrolle des Impfpasses. Ist der Impfstatus unklar, kann man auch eine Blutuntersuchung auf Antikörper durchführen lassen. „Die zweite Impfung kann man jederzeit nachholen“, erklärt Grisold. Die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln ist in Österreich an allen öffentlichen Impfstellen sowie bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für alle Altersgruppen kostenfrei.

Hatte man Kontakt mit einem Masernpatienten und ist nicht geimpft, kann man binnen 72 Stunden nach Kontakt eine Abriegelungsimpfung nachholen. Verstreicht diese Zeit, kann die zuständige Behörde einen Absonderungsbescheid über 21 Tage ausstellen. Das bedeutet, Kontaktpersonen müssen drei Wochen zu Hause bleiben.