Meine Kindheit war sehr prägend für mich – umso mehr, da ich in Tel Aviv aufgewachsen bin und dann mit neun Jahren mit meiner Familie nach Norddeutschland gezogen bin. Das bedeutete erst mal einen kulturellen Schock für mich – ich bin ja eher draußen aufgewachsen, mit vielen Freunden, großer Familie, Freiheit, Kommunikation, Hitze. In Bremen hatte ich genau das Gegenteil: eher kalt, das Leben fand drinnen statt, weniger Kommunikation …

Israel wird weitergelebt

Wir sind nach Norddeutschland gezogen, weil mein Vater, ein anerkannter Arzt, eine Einladung nach Bremen bekommen hatte. Meine Mutter war Hausfrau und eine wunderbare Mama und Köchin. Sie hat auf uns aufgepasst, mein Vater war ja viel unterwegs und oft nicht da. Sie war also hauptsächlich für die Erziehung, den Haushalt zuständig und hat die Traditionen und Kultur Israels weitergelebt. Sie hat hebräisch geredet und israelisch gekocht und uns unsere Wurzeln auch in Deutschland nicht vergessen lassen. Durch sie hatten wir weiterhin ein offenes Haus, zu uns kamen immer Gäste – Freunde, Familie aus der Heimat, neue Freunde aus Deutschland, Ärztekollegen meines Vaters. Meine Mutter war eine der besten Gastgeberinnen, die es gibt.


Natürlich haben wir auch Fremdenhass erlebt, leider waren damals noch viele Deutsche rechts eingestellt und haben uns das als Juden spüren lassen. Damals gab’s in Bremen keine Ausländer, die Türken waren noch nicht da, die kamen erst viel später. Wir waren Exoten, die israelische Gemeinde in Bremen war ganz klein. Wir haben aber alle sehr europäisch ausgesehen, sind optisch also nicht so sehr als „Ausländer“ aufgefallen.

Auf der "linken Welle"

Meinen Mann Samy Molcho habe ich erst über meinen Vater in Deutschland kennengelernt, obwohl er auch aus Tel Aviv kommt. Er war ein berühmter Pantomime und hatte volle Bühnen. Nachdem wir fünf Jahre zusammen waren, sind wir nach Wien gezogen. Wir waren damals beide auf der „linken Welle“, ich habe Psychologie studiert und wusste noch gar nicht genau, was ich machen wollte.

Als wir nach Wien kamen, haben wir ein halbes Jahr später geheiratet und mir war klar, wir gehören zusammen und ich begleite Samy auf seiner Tournee. Wir haben die Koffer in Wien gelassen und waren sieben Jahre lang über Monate auf Tournee, auch in Indien und China, wir sind immer nur kurz nach Wien zurückgekommen.

Man darf nicht egoistisch sein

Haya Molcho mit ihren vier Söhnen Nuriel, Elior, Ilan und Nadiv
Haya Molcho mit ihren vier Söhnen Nuriel, Elior, Ilan und Nadiv © Pat Domingo

Familie, Freunde sind das Wichtigste, sie sind die Basis deines Lebens. Und wenn du das hast, kannst du sehr viel schaffen. Eine gute Beziehung zu deinem Partner, deinen Kindern hat schon sehr viel mit dem restlichen Leben zu tun. Aber auch zu Freunden – wir haben gelernt, Freundschaften zu pflegen, indem wir so viel im Ausland waren und überall neue Menschen kennengelernt haben. Wenn ich heute nach Indien fahre, besuche ich meine Freunde, die ich damals kennengelernt habe, und ich bin noch immer willkommen. Man muss für seine Freunde da sein, zuhören, Kontakte nicht abreißen lassen, man darf nicht egoistisch sein und muss sich entschuldigen, sich in andere hineinversetzen können.

Es gibt nichts Schlimmeres als Einsamkeit

Ich habe vier Söhne, ich hätte noch viel mehr gewollt! Das fünfte Kind habe ich aber leider verloren und da haben wir gesagt: „Okay, so ist es und wir sind glücklich mit vier Kindern.“ Ich finde es wunderbar mit einer großen Familie, für mich gibt es nichts Schlimmeres als Einsamkeit. Ich habe mir anfangs auch sehr eine Tochter gewünscht, aber inzwischen habe ich eine Schwiegertochter, die ganz toll ist, und die anderen Jungs haben Freundinnen, die ich alle liebe. Sie sind meine Familie.

Nur Oma bin ich noch nicht, aber zum Oma-Sein hätte ich ja noch gar keine Zeit. Meine Kinder sollen glücklich sein und ihr eigenes Leben leben. Man muss loslassen können. Ich bin so mitten im Leben, drei Viertel des Jahres bin ich nur unterwegs – Veranstaltungen, Vorträge, Kochkurse etc. Manchmal allein, manchmal mit allen meinen Jungs, manchmal mit Samy. Für mich ist das normal, so bin ich aufgewachsen, wir waren immer Nomaden. Ich könnte gar nicht immer nur an einem Ort leben.Bei uns haben z. B. rumänische Flüchtlinge ein Jahr lang gewohnt, wir haben Flüchtlingen Papiere verschafft, damit sie offiziell hier leben können. Wir haben versucht, unseren Kindern das Soziale mitzugeben, und ich glaube, das ist gelungen: Wenn sie helfen können, helfen sie. Mir war es nicht wichtig, welche Noten sie nach Hause bringen, sondern für uns zählt: „Wie bist du, wenn man dich braucht, wie bist du als Mensch?“

Bei uns arbeiten alle mit: Nuriel macht Marketing, PR, Fotografie, Ilan die ganze Produktion, er ist der CEO, Elior ist der General Manager … Wir sind ein richtiger Familienbetrieb, jeder hat seine Interessen und Fähigkeiten. Ende dieses Jahres stellen wir unser neues Headquarter in Gumpoldskirchen fertig, das ist ein ganz großer Schritt für uns, den wir nur gemeinsam schaffen. Wir bauen unser Sortiment in den Supermärkten aus, kreieren neue vegetarische und vegane, gesunde und leckere Speisen.

Essen, bewirten, kochen ist mein Leben, es macht Spaß und ist genau meins. Ich hab beruflich das gemacht, was ich liebe. Aber ohne Freunde, Familie würde ich das nicht schaffen.