Sogenannte Inkretinmimetika werden seit Jahren bei Typ-2-Diabetes erfolgreich zur Blutzuckersenkung verwendet. Ihr "Nebeneffekt" - die Gewichtsabnahme der Behandelten - rückt immer mehr in den Fokus der Experten. Sie sind beim Abnehmen nämlich ähnlich effektiv wie eine bariatrische Operation, bei der Magen und/oder der Darm chirurgisch verkleinert werden, stellte die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie jetzt fest.

Bei den Wirkstoffen, die auch als GLP-1-Rezeptor-Agonisten bezeichnet werden, handelt es sich um synthetisch nachgebildete Darmhormone. Bei gleichzeitiger Diät und vermehrter körperlicher Bewegung konnten etwa mit Semaglutid Gewichtsreduktionen um bis zu 25 Prozent des Körpergewichts erreicht werden. "Dies zeigen internationale Studien aus dem STEP-Programm an übergewichtigen Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes", schrieb die deutsche Fachgesellschaft in einer Aussendung.

Adipositas in Österreich

Für westliche Industriegesellschaften mit einer Häufigkeit von Übergewicht bei an die zwei Drittel der erwachsenen Männer und etwa der Hälfte der Frauen können solche Behandlungsansätze in Zukunft noch wichtiger werden. Immerhin sind chirurgische Eingriffe immer mit einem Operations- bzw. Komplikationsrisiko behaftet. Eine medikamentöse Therapie lässt sich bei Nebenwirkungen kurzfristig beenden. In Österreich ist laut Statistik Austria in der Altersgruppe der 60- bis 74-Jährigen jeder vierte von Adipositas betroffen. 18 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen sind laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) adipös (BMI größer als 30).

Bei der medikamentösen Therapie der Adipositas waren die Möglichkeiten bisher begrenzt. Außerdem weisen viele der verabreichten Substanzen gefährliche Nebenwirkungen auf. "Amphetamine wurden wegen des Suchtrisikos vom Markt genommen. Dies gilt auch für Fenfluramin, einen weiteren Amphetamin-ähnlichen Wirkstoff, der den Hunger unterdrückt, wegen seiner herzschädigenden Wirkung. Und zuletzt auch für den Appetitzügler Lorcaserin wegen eines erhöhten Krebsrisikos", nannte Jochen Seufert, Endokrinologe und Diabetologe vom Universitätsklinikum Freiburg, Beispiele.

Eingriffe als letzte Option

Die Gewichtsabnahme unter einer Therapie mit einem Fettaufnahme-Hemmer (Orlistat) zeigte vor Jahren relativ bescheidene Effekte. Auch andere "Abnehmmittel" wurden wieder vom Markt genommen. "Bariatrische Eingriffe als bisher letzte Option sind zwar sehr effektiv", so der Experte. Ein großer Nachteil sei jedoch ihre Endgültigkeit. "Wir können sie nicht mehr rückgängig machen." Für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ-2 werden seit Jahren Inkretinmimetika eingesetzt. Die dem Darmhormon Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) nachgebildeten sogenannten GLP1-Rezeptor-Agonisten imitieren die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1. Sie senken den Blutzucker bei Typ-2-Diabetes. Darüber hinaus hemmen sie die Magenentleerung und vermitteln ein Sättigungsgefühl. GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) sind synthetisch hergestellte GLP-1-ähnliche Moleküle mit längerer biologischer Wirkung. Sie müssen je nach Darreichungsform einmal täglich oder einmal wöchentlich gespritzt werden. GLP-1-RA-Medikamente haben bei Diabetes Typ-2 einen Rückgang von Körpergewicht und Blutdruck gezeigt. Neben den GLP-1-RA-Medikamenten sind sogenannte "Doppel-" und "Dreifachagonisten" aus GLP-1-Analoga, Gastric Inhibitory Polypeptide (GIP) und Glucagon in klinischer Entwicklung für die Diabetes- und Adipositastherapie.

Prävention sollte im Fokus stehen

"Inkretinmimetika sind hoch effektive und dabei recht gut verträgliche Arzneistoffe zur Unterstützung der Gewichtsreduktion bei Menschen, die an Übergewicht und Adipositas sowie den entsprechenden schädlichen Auswirkungen auf den Stoffwechsel leiden", fasste Seufert zusammen. "Die hier erzielbaren Gewichtsabnahmen und Stoffwechselnormalisierungen kommen in den Bereich der Wirksamkeit der bariatrischen Chirurgie". Als nachteilig sieht er, dass sich der Gewichtsverlust nach etwa sechs bis zwölf Monaten auf einem Plateau einstelle - sowie den dauernden Therapiebedarf. "Dies kennen wir jedoch auch von anderen Adipositastherapien", erklärte der Experte.

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"Trotz der vielversprechenden Therapieerfolge mit Inkretinmimetika sollte die Prävention von Adipositas weiterhin im Fokus stehen", erklärte dazu Stephan Petersenn, Endokrinologe in Hamburg. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Arzneimittel in der Therapie können dabei nur einen Teil der Lösung darstellen.