Kein Fleisch, keine Milchprodukte, keine Eier, eventuell auch kein Honig: Kann eine solche Ernährungsweise für Kleinkinder und Schwangere geeignet sein? Wegen der streng veganen Ernährung seiner kleinen Tochter ist ein Elternpaar aus Australien nun zu jeweils 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden.

Die Empfehlungen des Gesundheitsministeriums sowie der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung sind eindeutig: Vegan ist für Schwangere, Stillende und Kinder nicht geeignet. Doch wo liegen die Gefahren? Und was machen Familien anders, bei denen es trotzdem funktioniert?

"Mangelndes Ernährungswissen"

„Leider ist unser allgemeines Ernährungsverhalten sehr einseitig“, sagt Sandra Holasek, Ernährungsexpertin der Med Uni Graz. Durch das einfache Weglassen von tierischen Produkten könne es daher leicht zu einer Mangelernährung kommen - und daher wäre eine allgemeine Empfehlung für Veganismus „unverantwortlich“.

Auch Marlies Wallner, Ernährungswissenschaftlerin an der FH Joanneum, sieht die größte Gefahr darin, dass es durch „mangelndes Ernährungswissen“ zu einer Unterversorgung von Mutter und Kind kommen könne. Für Erwachsene sei die rein vegane Ernährung gut möglich - die Voraussetzung sei aber, sich mit „den Inhaltsstoffen der Lebensmittel“ auseinanderzusetzen und so einen Nährstoffmangel zu vermeiden.

Die Diätologin Petra Frühwirth lebt selbst vegan und sagt: "In Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit ist der Nährstoffbedarf höher als im Erwachsenenalter, das muss man beachten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt die vegane Ernährung generell nicht, in den speziellen Lebensphasen rät sie davon ab. In den USA aber sagt die Ernährungsgesellschaft, wenn die vegane Ernährung gut geplant wird, ist sie für jede Lebensphase geeignet. Ein Problem ist auch, dass sich Eltern oft nicht trauen, ihre vegane Ernährung beim Arzt anzusprechen. Das ist die unschöne Konsequenz der Polemisierung des Themas: Wenn der Arzt nicht weiß, dass die Mutter vegan isst, kann er das entsprechende Blutbild nicht machen, dadurch kann mehr schiefgehen. Veganer sollten daher nicht das Gefühl haben, sich verstecken zu müssen."

Gut geplante Ernährung

Eine „gut geplante vegane Ernährung“ fordert auch die österreichische vegane Gesellschaft in ihrer Broschüre für die vegane Ernährung von Kindern. Lebensmittel müssen sorgfältig ausgewählt werden, die Ernährung der Kinder muss beobachtet werden, auch Bluttests werden empfohlen. Dann stünde einer veganen Erziehung aber nichts im Wege: Dabei beruft sich die Gesellschaft auf eine Beurteilung der amerikanischen Akademie für Ernährung, die besagt, dass eine gut geplante vegetarische Ernährung für Erwachsene ebenso wie für Kinder geeignet sei und gesundheitliche Vorteile bringe. Doch auch dort wird auf mögliche Nährstoffengpässe hingewiesen.

Kritische Nährstoffe

Kalzium, Eisen, Jod, Vitamine B12 und die Fettsäure DHA (die vor allem in fettem Fisch vorkommt): Sie alle zählen zu den kritischen Nährstoffen bei einer rein pflanzlichen Ernährung. Auch die pure Menge an Nahrung kann zum Problem werden: „Kinder sind im Wachstum und brauchen viel Energie“, sagt Wallner. In Obst und Gemüse stecken zwar meist viel Wasser und Ballaststoffe, aber wenig Energie (in Form von Kalorien) - deshalb sind Obst und Gemüse so gesund.

Das Problem, das sich ergeben kann, ist, dass vegane Kinder zu wenig Energie bekommen - und zu wenig zunehmen. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sei nicht nur die Vielfalt, sondern auch die Zubereitung der Speisen entscheidend, damit die Nährstoffe vom Körper besser aufgenommen werden können, sagt Holasek.

Sorgfältige Auswahl

Ein mangelernährtes Kind kann schwere Entwicklungsschäden davontragen: Fehlt es an Vitamin B12, kann die Blutbildung gestört sein, fehlen essenzielle Fettsäuren oder Jod, kann das zu Störungen der Hirnentwicklung führen.

Sollten sich Eltern gegen die Empfehlung für eine vegane Ernährung entscheiden, gilt jedenfalls: Es braucht eine sorgfältige Auswahl an Lebensmitteln. Das sollte aber auch für die Eltern von „alles essenden“ Kindern gelten.

Diätologin Petra Frühwirt dazu: "Anatomisch gesehen ist der Mensch ein Mischköstler, aber für mich stellt sich die Frage: Welche Möglichkeiten habe ich heute, mich zu ernähren? Es ist definitiv möglich, sich vegan gesund und nährstoffdeckend zu ernähren. Wichtig ist, dass man nicht einfach nur die Beilagen isst, sondern sich informiert, welche Nährstoffe man abdecken muss. Was man auch nicht vergessen darf: Egal ob man Mischkost oder vegan isst, es geht immer darum, was esse ich wirklich den ganzen Tag über. Es ist nicht die Ernährungsform an sich, die gesund oder ungesund ist. Man kann eine Mischkost gesund planen und man kann die vegane Ernährung gesund planen - aber man kann auch beide Ernährungsformen komplett ungesund umsetzen."