Paul Matthews ist ein Mann ohne Eigenschaften: ein blasser, humorbefreiter, glück- und erfolgloser Universitätsprofessor mit schlechtsitzender Frisur und einem Bart ohne Idee dahinter. Ein Mann, an den man sich bestimmt nicht erinnert, selbst wenn man ihm einen ganzen Abend lang gegenübersitzen würde. Ebenso langweilig doziert er an der Universität in Oslo über Biologie. Er forscht seit Ewigkeiten zur Schwarmintelligenz von Ameisen. Veröffentlicht dazu hat er noch keine Zeile.

Doch plötzlich bekommt er jede Menge Aufmerksamkeit. Er wird, sozusagen, über Nacht berühmt. „Kennen wir uns nicht?“, fragen ihn Menschen auf der Straße. Paul Matthews ist verwirrt. Die Menschen kennen ihn, weil sie von ihm träumen, alte Verflossene, junge Studierende, Menschen in Bars und Restaurants und auch Kolleginnen und Kollegen an seinem Arbeitsplatz. Er erscheint ihnen; aber nicht unbedingt im Guten oder als Superheld. Die eigene Tochter etwa träumt, dass er ihr nicht hilft, als sie plötzlich abhebt oder andere Dinge passieren. Er verharrt nur regungslos. Er ist gefangen im Albtraum der anderen. Es ist ein Teufelskreis. Seiner Umgebung erscheint er als Niemand, als der ungebetene Gast auf der eigenen Party. Popularität durch Passivität.

Der Professor lernt den Ruhm kennen und lieben – und sogleich die Schattenseiten davon. Zuerst will er seine Popularität nutzen, er gibt Interviews, macht Scherze in seinen Seminaren und will so einen Verlag für seine Forschungen finden. Und er lässt sich auf einen Influencer-Deal und eine Werbung für einen Softdrink ein.

Durch Schauspielstar Nicolas Cage erhält „Dream Scenario“ eine zweite Ebene. Eine, die wie maßgeschneidert für den Hollywoodstar ist, der beides kennt: den schnellen Höhenflug und den tiefen Fall. Auf seinen Hype als Indie-Star folgte der Aufstieg in den Action-Olymp Hollywoods und später der tiefe Fall durch massig Investitionen in Schlösser und Immobilien, durch die er sein Vermögen verloren haben soll.

Und so geht es auch dem Professor in dem Film des Hipster-Studios A24 („Everything Everywhere All At Once“), denn der Hype um seine Person ist bald vorüber. Und dann passiert noch Schlimmeres: Er erscheint seiner Umgebung nicht mehr als lahmer Nichtstuer, sondern als Täter. Überzeichnet legt der norwegische Filmemacher und Drehbuchautor Kristoffer Borgli sein US-Debüt an. Angesiedelt zwischen Groteske, Tragikomödie und Mediensatire mutet dieser Film weniger bissig an als sein Vorgänger „Sick of Myself“ , sehenswert ist „Dream Scenario“ unbedingt. Weil es die immense schauspielerische Bandbreite von Nicolas Cage zeigt, der sich in diesem surrealistischen, aberwitzigen Trip, der visuell nicht zwischen Traumsequenzen und dem Rest unterscheidet, verausgaben darf. ●●●○○