Viele haben es gehofft (wir auch in unserer Favoriten-Liste), wirklich daran geglaubt hatte wohl niemand: "Parasite", die bitterböse Kapitalismus-Komödie aus Südkorea räumt bei dieser 92. Oscarverleihung ab. Vier Preise holt sich Bong Joon-hos Ungleichheitsparabel - darunter nicht nur die Königsdisziplin "Bester Film", sondern auch jene in den Kategorien "Beste Regie", "Bestes Original-Drehbuch" und "Bester Internationaler Film".

Das ist aus mehreren Gründen erstaunlich: Damit hat der Film als erstes nicht englischsprachiges Werk in dieser Kategorie Oscar-Geschichte geschrieben. Und mehr noch: "Parasite" aus dem Hause Paramount hat in diesem Jahr allen großen, favorisierten Kandidaten dieses Jahr den Rang abgelaufen. So viele - nämlich insgesamt vier - Goldbuben heimste keiner der anderen Filme ein - weder Todd Phillipps' düstere Comicverfilmung "Joker", weder Sam Mendes' Kriegsepos "1917", weder Quentin Tarantinos Hommage "Once Upon A Time ... in Hollywood" und weder Martin Scorseses Netflix-Drama "The Irishman" - das ging sogar leer aus.

Nach jahrelangen Debatten um mangelnde Diversität in Hollywood, die im Hashtag #OscarsSoWhite kulminierten, lässt das nun nach der viel kritisierten Zusammensetzung der Academy (zu weiß, zu männlich, zu retro altersmäßig) der Zukunft dieser Institution ein bisschen weniger pessimistisch entgegenblicken: Denn mit der Wahl für diesen zutiefst zeitgenössischen Film "Parasite" , der scheinbar überall auf der Welt einen Nerv getroffen hat, steigt die Hoffnung, dass das Übermaß an weißen Geschichten, erzählt von weißen Regisseuren, gespielt von weißen Darstellern und Darstellerinnen, vielleicht einmal Geschichte ist. "Parasite" erzählt mit viel Selbstironie, Intelligenz, hohem Unterhaltungswert, dem präzisen Spiel auf der Gefühlsklaviatur und mit brennscharfer Analysemethoden - vom Überlebenskampf zweier Familien - eine angesiedelt am Ende der Upper Class und eine am unteren Ende der Gesellschaft zu Hause.

"Parasite" - und das ist auch eine Bilanz dieser Oscar-Nacht - steht aber auch für das Kino in seiner konventionellen Form: Seit seiner Veröffentlichung im Oktober spielte der Film 35,5 Millionen US-Dollar an den Abendkassen ein, weltweit waren es 165 Millionen US-Dollar. Im Gegensatz zu mancher nominierter Filme des Streamingsdienstes Netflix, das sich heuer endlich auch in den renommiertesten Kategorien vergolden wollte. Von 24 Nominierungen für die Filme "Marriage Story", "The Irishman" oder "The Two Popes" blieben am Ende gerade einmal zwei Oscars über: einer für die beste Nebendarstellerin (Laura Dern in "Marriage Story") und einer für den besten Dokumentarfilm "American Factory". Merke: Selbst grenzenloses Budget und die beste Marketingmaschinerie sind keine Garanten für einen Oscarsieg.

Ein Schlussauftritt, den man nie vergessen wird

Es ist, als habe uns der Film mit der Academy und ihrer Nichtentscheidung für einen so typisch historischen heldenhaften Oscar-Siegerfilm wie "1917" ein bisschen versöhnt - auch wenn es der Liste der Preisträger insgesamt an Diversität mangelt. Der Schlussauftritt des Teams, die Dolmetscherin, die wohl auch den Abend ihres Lebens hatte, die stehenden Ovationen im Saal und die stille Freude über den Sieg dieses Films - das wird von der sonst eher mauen Show ohne Moderation bleiben.

Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Warum bei so einer dann doch eindeutigen Wahl niemand aus dem Schauspielteam von "Parasite" auch nur in die Nähe einer Nominierung kam, stößt sauer auf - gerade für Song Kang Ho. Und über #OscarsSoMale wird weiter zu debattieren sein.