Fakt: 316 und 279 sind nicht 596, sondern 595. Eine Lappalie? Martin Thür hat dieses windschiefe Auszählungsergebnis nicht nur bemerkt, es hat ihm keine Ruhe gelassen. Schließlich ging es um einen Parteivorsitz und nicht um irgendwas. Thür hat einfach das gemacht, was für Journalistinnen und Journalisten immer empfehlenswert ist: Er hat nachgerechnet. Er hat nachgehakt. Er hat begonnen, die Fakten infrage zu stellen. Er hat keine Ruhe gegeben. So watscheneinfach geht Journalismus manchmal, vor allem wenn das Handy griffbereit ist. Martin Thür twitterte sonntags: "Nach Rücksprache mit der Leiterin der Wahlkommission: Hier ist ein Fehler bei der Transkription des Ergebnisses passiert. Es ist zurzeit nicht feststellbar, wem die eine Stimme gehört. Unklar, ob die Wahlkommission noch einmal zusammentritt." Die innenpolitische Bombe ging 30 Stunden später hoch.

Martin Thürs Twitter-Account zu folgen, ist generell kein Fehler. Er kommentiert dort launig, aber mit Biss und mit Haltung. Seit der von ATV kommende Nachrichtenmann über Zwischenstationen zum ORF wechselte und Anchorman der ZiB wurde, hat er sich zu einer Art Nachfolger für Armin Wolf gemausert. Der 40-jährige Niederösterreicher kann genauso hart fragen, er scheut den Konfrontationskurs nicht. An seine Grenze wurde Thür von niemanden anderen als Bundeskanzler Karl Nehammer gebracht. Er ließ sich von Nehammers Einschüchterungsversuchen im ZiB-Studio nicht beirren, verlor aber dabei fast selbst die Contenance.
Der Hochnerpreis-Träger hat auch "Sommergespräche" geführt, er war als Reporter für Sonderformate unterwegs und wurde allmählich zu einem der wichtigsten Gesichter des ORF.

Als er zum Team der ZiB stieß, verriet er der Kleinen Zeitung, sein von Watergate-Aufdecker Carl Bernstein geliehenes journalistisches Motto sei: "Die bestmögliche Version der Wahrheit." Am Wochenende hat er diesem Motto Ehre erwiesen.

Das Netz überschlägt sich und ist voll des Lobes für den ZiB-2-Anchorman: