"Nichts zu danken." Am Ende durften sich die ungesund verkrampften Körper aus ihren Sitzen erheben, eines der bemerkenswertesten ZiB-2-Gespräche der vergangenen Jahre war vorüber, oder besser: überstanden. Das erste Interview Martin Thürs mit Karl Nehammer war geprägt von Dissonanzen, die über die genreüblichen Umgangsformen hinausgingen. "Fürchte, damit haben sich beide keinen Gefallen getan", resümiert Politikberater Peter Plaikner kurze Zeit später trocken auf Twitter die Begegnung, die teilweise ins Kuriose abglitt.

Eine ausführliche Zusammenfassung des Gesprächs finden Sie hier.

Das ZiB-2-Interview ist Symptom und Zeichen für die anstehende Entscheidung zur ORF-Finanzierung: als Signal für den Wunsch einer größtmöglichen, und damit FPÖ-ähnlichen Distanz der ÖVP zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Als Vorschub-Argument, um den Druck in den Verhandlungen mit dem Regierungspartner hochzuhalten. Als Zeichen an die konservative Wählerschaft, dass mit diesem ORF und insbesondere mit der ZiB 2 keine faire Berichterstattung gegenüber der Kanzlerpartei möglich sei. Auch die kolportierte Verhaberung zwischen der niederösterreichischen Landespolitik und dem Direktor von ORF-Niederösterreich ist stiller Teil des Gefüges hinter dem angriffigen Stil, der das Interview von Beginn an prägte. 

"Ich bitte Sie, nicht so sensibel zu sein"

"Das ersuche ich wirklich, gerade vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk", ermahnte Nehammer am Mittwochabend Thür, stellvertretend für seinen Arbeitgeber. An anderer Stelle warf er der ZiB-2-Redaktion vor, den Anchor schlecht vorbereitet zu haben. Leise, aber deutlich zu verstehen war auch noch ein Ratschlag des Kanzlers: "Ich bitte Sie, nicht so sensibel zu sein." Spätestens an dieser Stelle durfte das Interview Alleinstellungsmerkmale für sich beanspruchen.

Für die Politik und insbesondere für die ÖVP ist die nach einer Feststellung des Verfassungsgerichtshofs notwendige Neuordnung der ORF-Finanzierung eine Gratwanderung. Nicht weniger für den ORF, für den seine Position als größtes Medienunternehmen des Landes auf dem Spiel steht. Nicht zufällig ist Roland Weißmann seit Wochen auf Tauchstation. Die Situation ist heikel, das musste der ORF-Chef feststellen, als er im November mit Warnungen vor einem drohenden Finanzfiasko – bis 2026 fehlen 325 Millionen Euro – Druck auf die Politik auszuüben versuchte. Thürs Gespräch mit Nehammer könnte die Finanzierungsfrage noch einmal spannender machen und ist zugleich Menetekel für ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Politik und öffentlich-rechtlichem Rundfunk, das es unbedingt zu vermeiden gilt.

"Das ist nicht zum Lachen", ermahnte Nehammer sein Gegenüber, das den Vorwurf der Fröhlichkeit vehement von sich wies. Nicht einmal darauf konnte man sich einigen.

Was sich die Wähler verdient hätten

Sich als Opfer des ORF zu präsentieren, schadet nicht. Das wusste Sebastian Kurz und das weiß sein Nach-Nachfolger Karl Nehammer. Vor allem weiß das Gerald Fleischmann, der schon den öffentlichen Auftritt des ehemaligen Kanzlers maßgeblich prägte. Seit Kurzem hat er auch für den aktuellen Kanzler wieder die Kommunikationszügel in der Hand. Auf der Strecke bleiben die Wählerinnen und Wähler, die es sich verdient hätten, in Zeiten der Krise mehr über politische Lösungen zu erfahren. Vertrauensbildung sieht anders aus.

Wer hatte Schuld am unwürdigen ZiB-2-Schauspiel? Am eindeutigsten und damit am schlechtesten lässt sich das durch die Parteibrille erkennen. Thür muss sich vorwerfen lassen, von der Angriffigkeit seines Studiogastes überrascht worden zu sein und dass er nicht in der Lage war, das Gespräch wieder einzufangen, um eine Rückkehr zur Sachlichkeit zu ermöglichen. Ob sein Gegenüber dazu gewillt gewesen wäre, bleibt Spekulation. Die ZiB-2-Redaktion sollte zudem hinterfragen, ob der einleitende Beitrag vor dem Interview von jener Ausgewogenheit war, der von der wichtigsten politischen Nachrichtensendung des Landes zu erwarten ist.

Und so endete das Gespräch mit dem ehrlichsten, was es zu bieten hatte: "Nichts zu danken."