Gleich einmal zum zentralen Thema, das die Welt derzeit umtreibt: Wie sehr verändert das Coronavirus Ihren Alltag, wo gibt es Einschränkungen?
Mathilde Schwabeneder: Inzwischen ist ja das ganze Land Sperrzone. Eine noch nie dagewesene Entscheidung innerhalb der EU. Gravierende Einschränkungen gibt es daher in allen Bereichen. Und jeden Tag gibt es noch zusätzliche Einschnitte. Das betrifft alle Bürger. Das ganze Land ist abgeschirmt, sämtliche Veranstaltungen sind abgesagt; die Museen sind zu, die Menschen arbeiten von zuhause aus – für ganz Italien gilt eine Reisewarnung. So etwas hat es noch nie gegeben. Das ist auch für Journalisten eine Herausforderung. Es gibt nur ein Thema. Und das ist immer schwieriger zu covern.

Wie nehmen Sie die Stimmung in Italien wahr?
Von bedrückt bis teilweise panisch. Italiener sind offene, kontaktfreudige Menschen. Jetzt heißt es: Distanz waren. Das schafft surreale Gegebenheiten. Von den schweren ökonomischen Folgen ganz zu schweigen, die dem Land drohen. Italien befindet sich damit wieder in einer Rezession. Die damit verbundene Angst ist riesengroß. Man denke nur an den Tourismus, der bereits völlig am Boden liegt sowie an die Exporte. Die Besonderheit Italiens ist ja, dass diese zu rund 50 Prozent aus kleinen und mittleren Betrieben stammen. Und diese sind besonders in Gefahr.

Ende Juni endet Ihre Korrespondenten-Zeit mit Ihrer Pensionierung. Wie geht es danach weiter?
Ich hatte bisher noch gar nicht die Zeit, viel darüber nachzudenken. Einen Weg werde ich aber weitergehen: Ich habe ja schon einige Bücher veröffentlicht. Und ich werde wieder ein Buch schreiben, das noch heuer erscheinen soll. Darüber hinaus werde ich mich auch in Zukunft mit Italien und dem Vatikan beschäftigen.

Mathilde Schwabeneder zu Besuch bei Christoph Grissemann und Dirk Stermann in "Willkommen Österreich":

Sie sind seit 13 Jahren Korrespondentin in Italien. Wie hat sich das Land in dieser Zeit verändert?
Als ich nach Rom gekommen bin, gab es bald darauf Wahlen und damit wurde wieder Silvio Berlusconi der Medien liebstes Thema. Doch bald darauf schwappte die Finanz- und Wirtschaftskrise, deren Folgen bis heute spürbar sind, auf Italien über. Das – verbunden mit harten Sparkursen und dem Gefühl, Italien würde alleingelassen – Stichwort Flüchtlinge - hat das Land insgesamt verändert und sehr empfänglich für rechte Ideologien gemacht. Heute sind die Italiener im Vergleich zu 2007 weniger optimistisch und sozial exponierter. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist größer. Und viele junge Menschen mit guter Ausbildung verlassen das Land.

Woher kommt eigentlich Ihre ausgeprägte Italien-Affinität? Gab es ein Schlüsselerlebnis in Ihrer Biografie?
Ich hatte schon als Kind eine große Vorliebe für die Geschichte des Mittelmeerraumes und des Antiken Rom. Damit verbunden war eine große Sehnsucht nach dem Meer. Später, im Gymnasium, war allerdings Frankreich mein Lieblingsland. In Italien bin ich dann beinahe zufällig gelandet. Ich hatte beschlossen, in Rom die Universität zu besuchen. Ein Schlüsselerlebnis zum belpaese gab es nicht. Aber manche erste Lieben rosten offenbar nicht. Und das ist schön so.

Vergleicht man Ihre Laufbahn mit den Karrieren anderer ORF-Redakteure, fällt auf, dass Sie vergleichsweise spät zum ORF stießen – und zuvor schon viel erlebt haben. Empfinden Sie den späten ORF-Einstieg rückblickend als Vorteil oder Nachteil?
Darüber habe ich nie wirklich nachgedacht. Aber, wenn sie so fragen, dann eher als Vorteil. Man bringt viel Lebenserfahrung ein, kennt andere Systeme und sieht viele Dinge daher mit mehr Abstand. Ich denke, jetzt nach 25 Jahren ORF, dass eine gewisse Distanz bei aller Loyalität zu einem Unternehmen kein Nachteil ist. Das schärft den Blick und macht unabhängiger.

Haben Sie einen Ratschlag an Ihre Nachfolgerin Cornelia Vospernik?
Ich glaube Cornelia Vospernik braucht keine Ratschläge. Sie ist eine versierte Journalistin, die Italien kennt und auch die Sprache spricht. Ich bin sehr froh, dass sie meine Nachfolgerin wird.