„Zu Beginn des 21. Jahrhunderts schwelgte die ganze Menschheit in euphorischer Stimmung. Wir bewunderten unsere eigene Genialität bei der Schöpfung der KI.“ Was klingt wie eine Beschreibung der derzeitigen Begeisterung für die Fortschritte in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz, ist ein Satz aus einem 25 Jahre alten Film. Er stammt von Morpheus (gespielt von Laurence Fishburne), als er Neo (Keanu Reeves) die Matrix erklärt.

Zusammengefasst: Am Ende des 22. Jahrhunderts ist von der Erde, wie wir sie kennen, praktisch nichts mehr übrig. Die Menschen haben den Krieg gegen intelligente Maschinen verloren und sind versklavt. In riesigen Brutanlagen werden ihre Körper gezüchtet und als Energiequellen missbraucht. Das Bewusstsein der Individuen hängt in der Matrix, einem computersimulierten Abbild der Welt an ihrem vermeintlichen Höhepunkt, dem Beginn des 21. Jahrhunderts, fest. Eine kleine Gruppe Rebellen leistet Widerstand.

Bahnbrechender Mix

Als der Science-Fiction-Streifen „Matrix“ 1999 in die Kinos kam, revolutionierte er die Art, Filme zu machen. Er verwebte bahnbrechende Technik mit klassischen Kampfsport-Elementen und packte eine ordentliche Portion Spiritualität und Gesellschaftskritik obendrauf. Die Kampfszenen aus dem Film sind legendär. Da sich die Hauptfiguren zu einem Großteil in der virtuellen Realität bewegen, sind sie in der Lage, die Parameter der Naturgesetze zu verschieben. So lernt Neo Kugeln auszuweichen und sich lange in der Luft zu halten. Umgesetzt wurde das mit Spezialeffekten, die bis dahin unbekannt waren.

Visionäre Wachowski-Geschwister

Das visionäre Konzept stammt von den Wachowski-Geschwistern. Damals noch als Larry und Andrew, leben beide heute ihre Transidentität unter den Namen Lana und Lilly. Sie vereinten Elemente aus japanischen Animes, chinesischen Kung-Fu-Filmen und amerikanischen Science-Fiction-Hits wie „Terminator“.

Nach „Matrix“ kam kaum ein Musik-Video einer New-Metal-Band in den frühen 2000ern ohne Grün- oder Blaufilter aus, Hollywood-Kassenschlager wie „Inception“ und „Kill Bill“ wären ohne die Pionierarbeit der Wachowskis vermutlich nie entstanden.

Doch warum ist „Matrix“ so gut gealtert und funktioniert gerade in Sachen Zeitgeist 25 Jahre nach seinem Erscheinen noch genauso gut, wenn nicht sogar besser? Während die Innovationen in Sachen Kampfchoreografie und Kameraführung von Beginn an offensichtlich waren, stechen heute auch andere Aspekte ins Auge. 

Rote Karte für stereotypische Darstellungen

Seit dem „Oscars so white“-Skandal 2015, als alle 20 nominierten Schauspieler weiß waren, versuchen Filmstudios, ihre Werke diverser zu besetzen. Das betrifft Hautfarben und Geschlechteridentitäten ebenso wie stereotypische Darstellungen. Was bis heute bei vielen Produktionen krampfhaft wirkt, gelang den Wachowski-Geschwistern mühelos. Die Besatzung von Morpheus‘ Schiff, der Nebuchadnezzar, setzt sich aus Menschen unterschiedlicher Hautfarben und unterschiedlichen Geschlechts zusammen, stereotypischen Bildern wird die rote Karte gezeigt. Die Darsteller kommen – je nach Typ – oft androgyn daher. Die weibliche Hauptfigur „Trinity“ inspirierte in Folge zu einer ganzen Reihe brachialer Filmheldinnen, dafür muss seit „Neo“ ein Actionstar nicht mehr zwangsläufig muskelbepackt und hart sein.

Anfang August 2020 erklärte Lilly Wachowski, Matrix sei auch eine Trans-Allegorie. Besonders die Gestalt der Switch signalisiere die Transgeschlechtlichkeit der Wachowskis. In den 1990er Jahren sei allerdings die Zeit noch nicht reif gewesen, das offen zu zeigen.

Modeinspiration bis heute

In Sachen Mode war „Matrix“ ebenfalls bahnbrechend. Sie unterstrich - inspiriert von der Cyberpunk-Bewegung - meist ganz in Schwarz, mit viel Leder und Latex, die Androgynität der Figuren. Ein Trend, der gekommen war, um zu bleiben. Erst zu Beginn des Jahres machte sich das Vogue-Magazin an die Ergründung, wie die ikonischen Looks der Filmsaga einen Kultstatus erreichen konnten, der bis heute anhält.

Bis heute findet man Elemente aus Matrix in der Modewelt
Bis heute findet man Elemente aus Matrix in der Modewelt © Imago/Runway Manhattan/Valentina Ranie

Riss die bloße Vorstellung, alles um uns herum sei nicht real, den Zuschauern kurz vor der Jahrtausendwende den Boden unter den Füßen weg, trifft diese Art der Gesellschaftskritik auch heute den Nerv der Zeit. Mit Aussagen wie „die Matrix ist die Welt, die über deine Augen gestülpt wurde, damit du blind für die Wahrheit bist“ fühlen sich vom Klimakämpfer über den Konsumkritiker bis hin zum Verschwörungstheoretiker ganze Gruppen abgeholt.

Dem Erstling „Matrix“ folgten 2003 (zwei Filme) und 2021 drei Fortsetzungen, ein fünfter Teil ist im Gespräch. Die bahnbrechende Wirkung von Teil eins blieb aber unerreicht.