Sommerzeit, Zeit zum Feiern. Auf ihren Datschen vertrödeln begüterte Russen die heißen Tage mit Saufen und Vögeln und dem Bejammern ihrer Lebensumstände: in einem fort streitet sich diese materiell übersättigte und dabei intellektuell verkümmerte Gesellschaft über unsaubere Geschäfte, Überarbeitung, unerwiderte Gefühle, allgemeinen Ennui. Keiner kriegt hier, was er braucht, keiner unternimmt etwas dagegen. Der Anwalt Bassow (Primoz Pirnat) flüchtet sich vor der unnachgiebigen Sinnsuche seiner Frau Warwara (Genija Rykova), in Portwein, Bier und Cognac, sie verzweifelt an der Stumpfheit, von der sie sich umgeben sieht.

Ein wenig von der Melancholie Tschechows hallt in Maxim Gorkis Drama "Sommergäste" nach. Dem revolutionären Dramatiker ging es in seinem 1904 uraufgeführten Stück aber wohl weniger um gesellschaftliche Introspektion als um Politik: Wer will, kann in "Sommergäste" das Heraufdämmern der Revolution beschrieben sehen - am Beispiel derer, die die Zeichen er Zeit nicht erkennen wollen.

Für die zweite Schauspielpremiere der Salzburger Festspiele auf der Pernerinsel hat Raimund Orfeo Voigt eine sensationelle Bühne gebaut, deren fast gespenstisch hohe Räume sich zweieinhalb Stunden lang fast unmerklich weiten und verengen; so entstehen fantastische, klaustrophobische Bilder. In diesen lässt Regisseur Evgeny Titov 15 Schauspieler, darunter Gerti Drassl, Paul Behren, Marie-Lou Sellem  und Martin Schwab sowie 12 Statisten in überdrehten Auseinandersetzungen unablässig verbal aufeinander einschlagen: selbstzufriedene Ehemänner und zurückgewiesene Liebhaber, frustrierte Ehefrauen und alte Jungfern hacken da aufeinander ein - seine Sympathien platziert Titov dabei eindeutig aufseiten des weiblichen Geschlechts, das um Veränderung und Freiheit kämpft.

Das fügt sich ins Zeitgeschehen und hätte dramatische Sprengkraft, allerdings dreht Regisseur Titov ganz im Sinne der legendären Band Spinal Tap Lautstärke und Intensität seiner Inszenierung ständig rauf bis 11; das hat schon bald betäubende Wirkung. Die leisen Zwischentöne, die herzzerreißenden Dialoge, die Gorkis drängenden Text zum Vibrieren bringen, sie bleiben in dieser Inszenierung leider rar.

Sommergäste. Von Maxim Gorki. Regie: Evgeny Titov. Bühne: Raimund Orfeo Voigt. Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer. Mit: Primož Pirnat, Genija Rykova, Gerti Drassl, Paul Behren, Martin Schwab u.a.
Terminbe: 1. bis 3. und 5. bis 8. August, Perner-Insel, Hallein.
www.salzburgerfestspiele.at